Glosse führt zu Rücktritt

■ Uta Wobit gibt wegen "Schmierenjournalismus" überraschend ihren Landesvorsitz beim ADFC ab / Bremer Autor hatte in Verbandszeitung "Rüpelradler" kritisiert

Nicht jeder Radfahrer verhält sich im Verkehr vorbildlich – aber darf man das kritisieren? Der Bremer Journalist Helmut Dachale hatte in einer Glosse beschrieben, wie Biker einen Fußgänger zu Fall brachten und rügte – allerdings nur eine Minderheit von Zweiradfahrer – unter anderem als „dumpfe Raseknechte“. Sein Beitrag war am Jahresanfang in der Zeitschrift des Verbundes selbstverwalteter Fahrradbetriebe abfahren veröffentlicht, dann im NDR und Südwestfunk gesendet und schließlich auch im Berliner Grünstift-Spezial nachgedruckt worden. Das Spezial war im Mai gemeinsam mit dem Berliner ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club) zum zehnjährigen Jubiläum des Fahrradclubs in einer Auflage von 30.000 Exemplaren produziert worden. Dachales Glosse führte dazu, daß Uta Wobit, seit sechs Jahren Vorsitzende des Fahrradclubs, nun zurückgetreten ist.

In einem Brief an die Redaktion der Monatszeitung Grünstift bemängelt sie, daß Dachales „primitiver Schmierenjournalismus“ in keiner Weise nützlich sei, über das Verhalten von Radfahrern zu diskutieren. Der Artikel sei „vereinsschädigend“. Doch, so die 50jährige Wobit zur taz, sei ihre Kritik weder von dem verantwortlichen Grünstift-Redakteur Jörg Götting- Frosinski, noch von den aktiven Männern im ADFC geteilt worden, deshalb trete sie zurück: „Sollen die Männer die Arbeit doch alleine machen.“

Redakteur Götting-Frosinski versteht Wobits Reaktion nicht. Kritik am Fahrstil von Radfahrern müsse erlaubt sein, zumal Dachales Beitrag differenziert sei. In der Tat: Dachale hat in seiner satirischen Abhandlung nicht nur erwähnt, daß es sich bei den „ohne Rücksicht auf Verluste“ fahrenden „Blindschleichen“ um eine Minderheit von Radlern handele, sondern auch, daß seit den sechziger Jahren das Velo systematisch von der Straße verdrängt werde und die Zahl der verunglückten Radfahrer auch im vergangenen Jahr wieder zugenommen habe.

In einem Brief an Uta Wobit schreibt Dachale, es verwirre ihn vollständig, daß Wobit für sich selbst in Anspruch nehme, „mit Beispielen zu überzeichnen, damit die Menschen über bestimmte geistige Sperren hinwegkommen.“ Frau Wobit hatte in der Vergangenheit nicht einmal davor zurückgeschreckt, die Luftverschmutzung durch den Autoverkehr mit der Vergasung der Juden im Dritten Reich zu vergleichen und war deshalb öffentlich kritisiert worden.

Wobit begründete ihren Rücktritt gegenüber der taz aber auch mit Arbeitsüberlastung. Außerdem seien ihr die Aktiven im ADFC zu lahm, Aktivitäten würden sich im Gestalten von Radtouren und Erarbeiten von Radkarten erschöpfen. Vorstandsmitglied Christian Höpfner wies diese Kritik zurück. Wenn es zuwenig politische Aktivitäten gebe, dann möglicherweise auch, weil die zurückgetretende Vorsitzende eine dominierende Persönlichkeit habe und es manchmal nicht einfach gewesen sei, mit ihr zusammen zu arbeiten. Dennoch schätze er Wobits Arbeit. Die Zahl der Mitglieder des ADFC ist in ihrer sechsjährigen Amtszeit von 500 auf 6.000 gestiegen. Eie neuer Vorsitzender wird voraussichtlich im Frühjahr kommenden Jahres gewählt. Bis dahin ist Axel Blomberg amtierender Vorsitzender. Dirk Wildt