Kismaju: „Scheiß-Somali, hau ab!“

■ Willkür und Einschüchterung am Juba-Fluß

Am 27.Mai gegen 18Uhr kamen belgische Soldaten ins Suk- Mugsi-Gebiet im Stadtviertel Lugabasi, um nach Waffen zu suchen – es hatte an diesem Tag Schießereien gegeben. Zwei Soldaten versuchten, in die Sheikh-Barte-Moschee zu gehen. Man sagte ihnen, sie könnten nicht mit ihren Stiefeln in die Moschee gehen; so befahlen sie, daß alle in der Moschee befindlichen Gegenstände zwecks Inspektion zur Tür gebracht werden sollten. Das geschah ohne Zwischenfälle. Dann suchten die Soldaten im Umfeld der Moschee und fanden zwei Gewehre in einem Grab versteckt.

Als die Soldaten die Gewehre sahen, wurden sie sehr aggressiv. Einer rannte zum Vordereingang der Moschee und fand einen Mann namens Ibrahim Sabriye Khayre, der gerade mit seinem Gebetskrug in die Moschee ging. Der Soldat schlug und trat nach Ibrahim, der unbewaffnet war. Ibrahim versuchte davonzurennen; der Soldat folgte ihm und eröffnete das Feuer. Ibrahim wurde im Rücken getroffen. Die Soldaten transportierten ihn ins Krankenhaus, aber er starb kurz nach der Einlieferung.

Ibrahim war in Kismaju wohlbekannt als Schreiner, der Krücken für das Rote Kreuz herstellte. Er hinterließ eine Frau und sechs Kinder. Bei der Waffensuchaktion wurden noch zwei andere unbewaffnete Somalis getötet und mehrere verwundet.

Am folgenden Tag hinterlegten Angehörige von Ibrahim einen schriftlichen Protest auf englisch. Ein Angehöriger traf am 31.Mai den für humanitäre Angelegenheiten zuständigen Unosom-Beamten. Er erfuhr, daß man nichts machen könne, da für solche Fälle keine Vorgehensweise festgelegt sei.

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Am 29.Juni gegen 9Uhr hielten die belgischen Soldaten am Checkpoint der Kamsuma- Brücke über den Juba- Fluß ein Auto an und durchsuchten es nach Waffen. Drei Soldaten befahlen den Fahrgästen auszusteigen. Sie durchsuchten alle mit Metalldetektoren. Sie befahlen den Fahrgästen, die Brücke zu Fuß zu überqueren. Sie durchsuchten das Auto, aber fanden keine Waffen: Ein Soldat öffnete aber zwei Säcke landwirtschaftlicher Chemikalien und goß mehrere Kanister Pestizide auf den Boden des Autos aus. Ein anderer Soldat warf die Autowerkzeuge auf die Erde; der Fahrer begann, sie einzusammeln.

Ein Soldat befahl dem Fahrer, die Autoschlüssel auszuhändigen. Er weigerte sich. Drei Soldaten ergriffen ihn und nahmen ihm die Schlüssel gewaltsam ab. Die anderen beiden nahmen den Fahrer zur Brücke und versuchten, ihn in den Fluß zu werfen; zum Glück hielt er sich am Geländer fest und fiel so nicht ins Wasser. Der andere Soldat fuhr mit dem Auto über die Brücke einige hundert Meter weiter. Er fuhr einige Minuten auf und ab, warf den Schlüssel dem Fahrer zu und sagte: „Nimm!“ Der Fahrer sammelte die Fahrgäste ein und fuhr nach Kamsuma.

Gegen 11.45Uhr kehrte das Auto aus der Gegenrichtung zurück. Die Soldaten hielten es in der Brückenmitte an und befahlen den Fahrgästen auszusteigen. Einer bedrohte den Fahrer mit einem Messer an der Kehle und verlangte den Schlüssel; der Fahrer händigte ihn aus. Der Soldat nahm das Auto und fuhr einige Minuten damit auf und ab. Dann, immer noch mit dem Schlüssel, ging der Soldat in ein Zelt und blieb sieben oder acht Minuten dort. Einer der Fahrgäste im Auto ging auf die Soldaten zu und beschwerte sich. Er wurde zweimal mit einem Metalldetektor auf die Schulter geschlagen. Ein anderer Fahrgast ging dann auf einen Soldaten mit den Insignien eines Leutnants zu und fragte: „Wo ist der Boß?“ Der Leutnant zeigte auf einen Offizier in einem Lastwagen. Der Passagier ging hinüber zum Offizier, grüßte und sagte: „Ihr macht hier humanitäre Arbeit, ihr solltet uns nicht so behandeln.“ Der Offizier antwortete: „Scheiß-Somali, hau ab!“

Der Fahrgast ging zum Auto zurück. Zwei Soldaten kamen auf ihn zu, einer halbnackt. Der Passagier sagte: „Wenn wir in Brüssel wären, könntet ihr das nicht machen. Aber ihr seid in meinem Land als Friedensschaffer, ihr könnt uns so behandeln.“ Der Soldat mit nacktem Oberkörper ärgerte sich; er griff an seinen Gürtel nach einer Waffe. Als er merkte, daß er keine hatte, nahm er den Revolver seines Kollegen neben ihm, entsicherte ihn und hielt ihn etwa 30 Zentimeter vom Kopf des Passagiers entfernt. „Scheiß-Somali!“ sagte er. „Hau ab, hau ab!“

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Am 10.Juni entwaffneten belgische Truppen einen Mann nahe Suq-Mugdi im Lugabasi-Stadtviertel. Nach Augenzeugenberichten schlugen sie ihn, fesselten seine Hände und schleiften ihn über 400 Meter hinter ihrem Unimog-Lastwagen her. Eine Menschenmenge sammelte sich und warf Steine auf das Fahrzeug; sie zwangen das Fahrzeug, anzuhalten, und die Soldaten, den Mann hineinzunehmen. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Am 27.Mai töteten die belgischen Truppen einen bewaffneten Mann im Lugabasi-Stadtviertel, fesselten seine Leiche und schleiften sie dann hinter einem Panzer durch die Stadt.