Mogadischu: Tod eines „Banditen“

■ Katz-und-Maus auf dem Universitätsgelände

Am 6. Juli gegen 19.30Uhr berichteten Bewohner des Universitätsgeländes, daß ein unbekannter Mann sich am Tor des Geländes aufhalte (es liegt neben einer großen US-/tunesischen Militärbasis). Zwei Bewohner gingen und sprachen mit dem Mann. Sie erkannten sein Gesicht und fragten nach seinem Namen; er sagte, er heiße Sayed Mohamed Jaama und erklärte weiter, er sei mit einem auf dem Gelände lebenden Arzt verwandt und wolle diesen aufsuchen. Die Bewohner sagten, er solle den Arzt lieber am nächsten Morgen im Benadir-Krankenhaus suchen gehen.

Während des Gesprächs wurden aus der Richtung Medina, etwa zwei Kilometer vom Universitätsgelände entfernt, Schüsse abgegeben. Als sie die Schüsse hörten, rannten die Bewohner zurück in ihre Häuser und sagten Sayed, er solle schnellstmöglich verschwinden. Sie wiesen ihn zum Tor.

Als sie ihre etwa einen Block entfernten Häuser erreichten, hörten die Bewohner Gewehrschüsse, die von den nebenan stationierten und durch einen Stacheldrahtzaun vom Gelände getrennten tunesischen Soldaten kamen. Ein Bewohner, der sich näher am Ort des Geschehens aufhielt, hörte ebenfalls die Schüsse und dann Sayeds Stimme, als er La illahi ila Allah (Es gibt keinen Gott außer Gott) sagte.

Am Morgen trauten sich die Bewohner heraus und fanden Sayeds Leiche auf der Erde, zwischen dem Ort, wo er zuletzt gesehen worden war, und dem Stacheldrahtzaun. Er hatte sich etwa 80 Meter in diagonaler Richtung bewegt.

Eine Reihe von Leuten sammelte sich und deckte den Leichnam zu. Einer erkannte Sayed als einen früheren Psychiatriepatienten, der einst das Gelände besucht hatte. Ein paar US-Soldaten beobachteten sie über den Zaun; sie waren gerade aufgewacht und putzten sich die Zähne. Die Amerikaner schickten eine Gruppe bewaffneter Soldaten zur Untersuchung. Ihre erste Frage war: „Wo ist das Gewehr, das er trug?“ Als sie erfuhren, daß es kein Gewehr gab und daß Sayed höchstens seinen Stoffhut in der Hand getragen hatte, wurden die Soldaten sichtlich nervös. Sie weigerten sich, weiter mit den Bewohnern zu reden, und nahmen die Leiche fort.

Am 8. Juli berichtete die UNO- Zeitung Maanta über den Vorfall wie folgt: „In der Nacht des 6. Juli, wenige Minuten nach zehn Uhr abends, eröffneten tunesische Unosom-Wachleute das Feuer auf drei Somalis, die versuchten, in die Universität einzudringen. Einer der Banditen [„burcad“] wurde getötet, die anderen beiden entkamen.“ Anwohner bemerkten ironisch, daß Ex-Diktator Siad Barre genau dieselbe Sprache benutzte, wenn seine Sicherheitskräfte Dissidenten töteten oder das Feuer auf zivile Demonstranten eröffneten.

Das von US- und tunesischen Truppen besetzte Hauptgelände der Universität liegt oberhalb des benachbarten Hauptquartiers der UNO (der früheren US-Botschaft). Die Einrichtungen des Geländes, insbesondere die Wasserversorgung, wurden im Bürgerkrieg von Mitarbeitern der Universität geschützt, was den Ort ironischerweise attraktiver für die im Dezember gelandeten ausländischen Soldaten machte, so daß diese das Gelände beschlagnahmten. Seitdem haben die Mitarbeiter der Universität den Zugang zu den von ihnen zwei Jahre lang sorgsam geschützten Wasserversorgungseinrichtungen verloren.

Ende Juni, wegen der vermuteten Angriffsgefahr, begannen die US- und tunesischen Truppen, die Verteidigungsanlagen der Unversitätsbasis zu verstärken. Gräben wurden ausgehoben, Stacheldrahtzäune vergrößert und Mauern abgerissen. Eine kaputte Lederfabrik, die dem Viehministerium gehörte, wurde zerstört. Obwohl das Gebäude ungenutzt war und kein Dach mehr besaß, stellte seine Zerstörung einen psychologisch wichtigen Akt dar. Ein Anwohner sagte: „Die Leute dachten, die UNO sei gekommen, um die Stadt wiederaufzubauen, nicht sie zu zerstören.“

Wenige Tage später wurden etwa 700 Menschen, die im verlassenen, aber strukturell intakten ehemaligen Hauptgebäude des Viehministeriums lebten, umgesiedelt. Die UNO-Zeitung Maanta berichtete, man habe die Leute „gebeten“, abzuziehen, und sie seien „willig“ gegangen. Tatsächlich befahl man ihnen, das Gelände zu verlassen und in leere Häuser in der Medina zu ziehen, wo Einrichtungen wie die Wasserversorgung viel schlechter sind. Sie protestierten nicht, denn sie wußten, daß das keinen Zweck haben würde. Dann fällten die Unosom-Truppen alle umliegenden Bäume und begannen mit der Sprengung des Gebäudes.

Der Kommandeur des Unosom-Base schlug dann vor, das ganze Universitätsgelände abzureißen – 61 Häuse, alle intakt, bewohnt von einstigen Dozenten und/oder ihren Verwandten. Die Bewohner des Geländes schickten eine Delegation zum Kommandeur, um zu protestieren und Alternativen vorzuschlagen. Sie berichteten von einer unfreundlichen Antwort: „Das sind Regierungsgebäude, keine privaten. Ihr habt keine Regierung. Also könnt ihr rausgeschmissen werden.“