Jochen Wolf pflichtgemäß abgedankt

■ Dubiose Immobiliengeschäfte brachten Brandenburgs Bauminister zu Fall / Soli-Erklärungen von Parteigenossen Stolpe und Hildebrandt konnten den notwendigen Schritt nicht verhindern

Berlin (taz/dpa) – Brandenburgs Bauminister Jochen Wolf, SPD, ist gestern zurückgetreten. Ministerpräsident Stolpe beauftragte den Chef der Staatskanzlei, Jürgen Linde, mit der kommissarischen Leitung der Amtsgeschäfte. Dubiose Baugeschäfte beendeten Wolfs Karriere. Der Einundfünfzigjährige hatte sich mit Hilfe eines ehemaligen Stasi-IM und heutigen Immobilienmaklers Axel Hilpert ein propperes Seegrundstück zugelegt. Der Kaufpreis lag ein Viertel unter dem ortsüblichen Quadratmeterpreis. Das Filetstück ging ohne Maklerprovision in den Wolfschen Besitz über.

Normalerweise hätte der Bauminister das Grundstück gar nicht erwerben dürfen, da er nicht in der Gemeinde Groß-Glienicke wohnt. Nach einem Beschluß des Gemeinderates hätte es nur an Ortsansässige verkauft werden dürfen. Der anrüchige Deal war dem Kölner Privatsender Vox aufgefallen. Der Sender recherchierte, daß Makler Hilpert dank der Fürsprache von Wolf in einem anderen brandenburgischen Dorf beim Landkauf Gewinne in Millionenhöhe gemacht hat.

Zunächst dementierte Wolf, in den Grundstücksdeal verwickelt zu sein. Noch am Mittwoch posaunte er, er werde jeden, der ähnliches behaupte, wegen Verleumdung, übler Nachrede und Beleidigung verklagen. Ministerpräsident Stolpe und Arbeitsministerin Hildebrandt legten unmittelbar nach Bekanntwerden der Grundstücksgeschäfte Ehrenbezeigungen für den Bauminister ab.

Nach einem Gespräch forderte der Vorstand des mitgliederstärksten Unterbezirks der brandenburgischen SPD Wolf gestern auf, sofort zurückzutreten.

Die Vorwürfe gegen den Minister kamen den GenossInnen zur rechten Zeit. Sie kritisierten den Parteikollegen schon seit längerem. Dem Landesvorstand der SPD gehörte Wolf bereits seit Mai vergangenen Jahres nicht mehr an, er war erst gar nicht mehr als Kandidat nominiert worden.

Großen Ärger hatte sich Wolf im letzten Jahr auch mit den Richtlinien für die Wohnungsbauförderung eingehandelt. Sie waren so kompliziert und eng gehalten, daß 1992 nahezu keine Fördermittel ausgegeben werden konnten. Millionenbeträge mußten im Landeshaushalt umgeschichtet werden.

Auch seine engen Beziehungen zu Potsdamer Unternehmern kreideten die Parteifreunde dem Minister an.

Die Karriere des Mannes, der gerne Ministerpräsident von Brandenburg geworden wäre, begann zur Wende, 1989, ohne daß er sich zuvor in der DDR-Opposition profiliert hatte.

Als Diplomingenieur arbeitete er bei der DDR-Außenhandelsfirma Deutrans. Dort schloß er wohl mit Axel Hilpert Bekanntschaft, die ihm heute zum Verhängnis wurde. Bereits im Sommer 1989 geriet Wolf ins Gerede wegen angeblicher Verwicklungen in merkwürdige Immobiliengeschäfte.

Wolf war der ewige Zweite hinter Stolpe. Zum Stolperstein geriet ihm auch sein Verhalten der Parteispitze gegenüber. So hatte er am Mittwoch SPD-Chef Steffen Reiche bezichtigt, enge Kontakte zu einem im Juli unter Verdacht krimineller Machenschaften in der landeseigenen Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) entlassenen Abteilungsleiter seines Ministeriums unterhalten zu haben.

Reiche sagte, Stolpe habe nicht sofort dem Wunsch der Partei nachgegeben, den Bauminister zu entlassen. Schließlich habe Stolpe selbst im Zusammenhang mit der Stasi-Diskussion um seine Person viel Solidarität erfahren. Die Basis war diesmal stärker. roga