Village Voice
: Semiphilosophischer Trichter...

■ ...an der Grenze zur Gruft: the Perc meets the Hidden Gentleman

„Tom Redecker alias the Perc is marching through the ages“ – und trifft dabei ganz kongenial auf seinen Mitstreiter, den „hidden gentleman“ alias Emilio Winchetti, der seinerseits auch Jahre und Zeiten durchwandert. Was kommt dabei heraus? Das vierte Album der Berliner Lokalmatadoren the Perc meets the hidden gentleman, programmatisch „Ages“ betitelt.

Wenn nicht alles täuscht, verstehen die beiden mit diesem prätentiösen on the road-Sein die Suche nach Ewigkeit und Gleichzeitigkeit, nach einem Raum ohne Zeiten, gar nach Unsterblichkeit und dem Außerirdischen. Hand in Hand mit Hesses Harry Heller kommen Redecker und Winchetti auf diesen semiphilosophischen Trichter und schaffen es immerhin, an jeder zeitgenössischen deutschen Strömung vorbeizumusizieren. Schön orchestral und gut mythenumflort, knapp an der Grenze zur Gruft balancierend. Damit sind sie natürlich nicht die ersten.

Aufregender wird es, wenn die beiden auf dem Cover, zur Untermalung ihrer Zeitreise, eine Muschel als Metapher für das ewig Gleichbleibende sanft auf samtenen Stoffen präsentieren und selbst im kitschigsten Mozart- meets-Salzburg-Outfit posieren, zwei schon etwas ältere, nicht mehr ganz knusprige, geschweige denn schöne Herren (Ludwig der Zweite würde sich im Grabe umdrehen). Übel, aber gekonnt. Komisch und gewollt daneben.

Auf „Ages“ wird aber auch Musik gemacht, die, wie schon erwähnt, in einem orchestral-pseudo-klassischen Sound – der Eingangssong „Toccata“ ist ganz bescheiden J.S. Bach gewidmet – ein paar schöne Melodien parat hält und manchmal sogar das Herz oder die ureigenste Erinnerung an bessere Zeiten trifft – die belle epoque in jedem. „Mermaid In The Rain“ ist in diesem Fall der passende Knüller für die Reise äh ... durch die Zeiten, mit Minne Graw von Ougenweide (!) als Gastsängerin, passend zum Thema.

Auch die anderen Helfershelfer für dieses Album sollen nicht unterschlagen werden, unterliegt ihr Auftreten doch einer konzeptuellen Logik. Volker Kahrs, einstmals Mitglied von Grobschnitt, steuert auf einigen Songs Synthesizer und Piano bei, und „der Rabe“, Ex-Schlagwerker von Boas Voodoo Club, hat bei Tom und Emilio eine neue Heimat gefunden. Katrin Aichinger zupft den Baß bei „Mermaids“, und auch Jochen Schoberth, mittlerweile Initiator eines barocken Gruftsynthieprojekts namens Artwork, scheint seine Gitarre bei „the Perc ...“ nicht gänzlich an den Nagel hängen zu wollen.

In der Auswahl der Musiker eine gelungene Kombi-Packung aus verschiedensten Charakteren, die, aus den unterschiedlichsten Richtungen kommend, dieses großspurige musikalische „Ages“-Gemälde malen, mehr: inszenieren. Per Coverversion wird schließlich noch Peter Hammill gehuldigt, dem Songwriter, dem pastorales Gehabe und Auftreten auch nicht ganz fremd sind, „Candle“ heißt der Song, natürlich.

Music for the ages? Der Soundtrack zu Huysmans „Tief Unten“? Oder doch nur „na denn Radio FFN“ mit Gruß an Ecki Stieg? Nicht verwundern sollte zudem, wenn, völlig anders als beabsichtigt (oder eben gerade doch!), der eine oder andere Song aus dem Ghettoblaster eines fröhlich gestimmten Schwarzkittels erklingt. Der große, dunkle, warme Korb mit Musik, für jeden etwas dabei, womit the Perc meets the hidden gentleman eigentlich ihren Auftrag ganz gut erfüllt haben. Gerrit Bartels

The Perc meets the Hidden Gentleman: „Ages“ (Strange ways/ Indigo)