Runde Idee mit vielen Löchern

Spielwiesen für Wohlhabende rund um Berlin: 65 Investoren wollen im Land Brandenburg Golfplätze bauen / Megaprojekte bedrohen die Landschaft  ■ Von Rolf Lautenschläger

Bis vor drei Jahren ging das Zeitgeschehen an Tremmen vorbei. Die kleine Gemeinde im Kreis Nauen besaß nichts weiter als eine verlotterte Dorfstraße, die Kirche und landwirtschaftliche Nutzflächen. Dazu ein paar Seen, Sumpfgebiete und Apfelbäume. Seit dem Beginn der neuen Zeitrechnung ist alles anders: Die Hauptstraße wird für Wagen der S-Klasse mit Berliner Kennzeichen planiert. In der Nähe ziehen Männer und Frauen Wedges (spezielle Golfschläger) über die Fairways. Die Dorfjungs verdingen sich als Caddies beim Schleppen großer Golfsäcke.

Die Ursache für Tremmen- Boomtown heißt „Potsdamer Golf-Club“ und liegt einen halben Kilometer südlich. Seit 1992 zieht der erste Golfplatz in Brandenburg die Berliner mit dem dicken Geld an. Das 50 Hektar große Gelände, das bis 1989 als „volkseigenes Gut“ zum Apfelanbau und als Weideland für 400 Schafe genutzt wurde, erwarb 1991 die Südstern Sportanlagen GmbH von der Treuhandanstalt „zu einem äußerst günstigen Bodenwert“, wie Clubmanager Mathias Bultmann erzählt. Die Berliner Betreibergesellschaft sanierte für über fünf Millionen Mark die ausgemusterten Stallungen und Remisen, säte Gras auf die Schafsweiden, legte Sandbunker an und schlug Schneisen in die Obstplantagen.

Das „Platzdesign“ der 18-Loch- Anlage des schwedischen Golf- Grafen T.S. Oxenstirna zwischen Baumgruppen und Teichen, Alleen und Hecken läßt die Spieler vergessen, daß sie ihre Bälle über einen geplätteten Rasen schlagen, der sich aus Kunstdünger und Pestiziden entwickelte, um innerhalb eines Jahres das struppige Weideland in einen Golfteppich zu verwandeln. Die inszenierte Landschaft präsentiert sich für den gestreßten Berliner Freizeitkonsumenten wie eine schottische Idylle, in der nur das „Plopp“ des eingelochten Balls mit dem „Dreier-Eisen“ stört.

Weit weniger idyllisch lesen sich die Anträge für Golfplatzprojekte im Land Brandenburg. Bis zum Juni 1993 registrierte das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung in Potsdam nicht weniger als 114 Golfplatz- und Freizeitbauvorhaben. 45 Investoren reichten Anfragen für den Bau von 9-, 18- und 36-Loch-Anlagen ein, von denen bis dato sieben fertiggestellt sind. Für 28 Golfplätze wurde das Raumordnungsverfahren positiv beschieden.

Mit einer Fläche von etwa 50.000 Hektar würden die beantragten Plätze fast ein Viertel der landwirtschaftlichen Nutzflächen besetzen, die in Brandenburg nach der Wende stillgelegt wurden. Leicht machen es den Investoren vielfach die kapitalschwachen Eigentümer. Um aus dem Brachland noch „Gewinn zu erzielen, greifen die Besitzer des Bodens nach jedem Strohhalm, der ihnen eine Vermarktungschance bietet“, berichtet Florian Keller, Pressechef im Brandenburger Umweltamt. Dabei, so Keller, werden die Eigentümer oft mit „Markbeträgen“ über den Tisch gezogen oder mit Optionsverträgen in langfristige Abhängigkeiten gezwungen.

Zugleich, so geht aus einer Studie des BUND hervor, geraten die Gemeinden unter Druck. Von den Finanz- und Arbeitsplatzversprechen angelockt, überlassen sie den Investoren die Flächennutzungs- und Bebauungsplanung. Häufig laufen die Gemeinden Gefahr, ihre kommunale Planungshoheit an den Investor zu verlieren. Landschaftsumbau und ökologische Auswirkungen auf den Boden, den Wasserhaushalt, die Fauna und Flora sowie Abwasser- und Müllaufkommen überformen den Charakter der Umgebung.

Zum „Golfplatz Berlins“ droht das nahe Umland aber nur dann zu werden, würden die „Megaprojekte“ umgesetzt, befürchtet Keller. Allein der Flächenverbrauch der geplanten Golfanlage in Ahlsdorf auf 332 Hektar, des Golf- und Ferienparks Markheide bei Königs Wusterhausen auf 1.300 Hektar, des Golfclubs Stolpe (167 Hektar) oder der Anlagen in Bad Saarow mit 54 Löchern, Reithallen und Tennisschulen sowie eines 3.000- Betten-Hotels mit „Spaßbad“ machten aus der nahen Region einen „Spielplatz“ für neureiche Abspecker. „Um die landesplanerischen Interessen zu wahren, müssen wir in der Region Potsdam jetzt schon den Deckel auf weitere Golfplätze draufhalten“, betont Keller. Die Investitionsbremse sei angesagt. Außerdem werde bei Anträgen verstärkt auf die bauliche Massierung, den Natur- und Artenschutz geachtet.

Die Developper indessen sind alles alte Hasen aus der Berliner und internationalen Baubranche, die sich so leicht nicht schrecken lassen. In Massow plant die Deutsche Interhotel-AG, in Uetzpaaren die Klingbeilgruppe. Paul Schockemöhle reitet für Bad Saarow, der Berliner Weidlich hofft auf Blankensee. Zusätzlich planen japanische und kanadische Investoren im Kreis Eberswalde. Mathias Bultmann in Tremmen glaubt an den Markt. Die erhofften 20.000 Berliner Golfer seien bislang ausgeblieben. Bultmann: „Viele haben die Situation falsch eingeschätzt. Im Augenblick läuft noch das Rennen um die besten Plätze. Der Markt hat sich ausgedünnt.“ Großprojekte wie Bad Saarow seien kaum realisierbar. Nur kleinere Anlagen hätten auf lange Sicht eine Chance. Deshalb setzt Bultmann auf „familiäres Golfen“: mit Schnupperkursen, Grillabenden und Gaudigolfen mit Sepp Maier als Attraktion.