Bescheidener Besuch beim reichen Onkel

■ Bayern München – SC Freiburg 3:1 / Mit Verspätung betrat das letzte Fähnlein der Aufrechten die Bundesligabühne und lag schon hoffnungslos zurück

München (taz) – Waren das noch Zeiten: Bochum war unabsteigbar, St. Pauli links und der FC Bayern ganz einfach die Fußballverein gewordene Verkörperung des kapitalistischen Schweinesystems. „Das ist Klassenkampf“, tönte ein gewisser Volker Ippig, Ex-Aufbauhelfer in Nicaragua und Pauli-Torsteher, wenn die Kicker von der Isar nach Hamburg anreisten. Und die nie besonders theoriefesten Schwarz-Block-Fans schwenkten begeistert ihre Totenkopf-Fähnlein zum vulgärmarxistischen Einwurf und bewarfen die bayerischen Geldsäcke mit Groschen. Und jetzt? Der Häuserkampf tot, Nicaragua gewendet, der gegrönemeyerte Doppelpaß zweitklassig, und St. Pauli ist ja eh schon lange weg vom Fenster. Klar gingen da sehnsuchtsvolle Blicke in den Südwesten, als die Kicker des Sport Clubs Freiburg mit kessem Spiel und flotten Sprüchen in die Bundesliga einzogen. Die Freiburger Sponti-Gruppe aber, bei der ohne Lust und Spaß gar nichts geht, zeigte unter dem neuen Druck als letztes Fähnlein der Aufrechten und linker Hoffnungsträger in der Eliteklasse zu agieren, mentale Wackler.

Selbst Kapitän Uwe Spies, Kopf und Querkopf des Teams in einem – „Wenn ich einen stärkeren Willen hätte, würde ich aufhören, ist doch alles Scheiße“ –, floskelte schon eine Woche vor dem Saisonauftakt in München los, daß sich die Torpfosten bogen: „Für die ganze Mannschaft ist es ein schönes Abenteuer, nächsten Samstag im Olympiastadion einzulaufen.“ Volker Finke, der beurlaubte Oberstudienrat in Freiburger Trainerdiensten, haute in die gleiche Kerbe: „Keine Angst“, in der Mannschaft vor großem Stadion und Gegner, vermeldete er auf der letzten Pressekonferenz vor dem Auftakt-Match, „die Spieler freuen sich auf München.“

Als ginge es in Demut auf einen Besuch zum reichen Onkel, der der armen Verwandtschaft die Gnade einer Einladung hat zuteil werden lassen. Da geriet selbst Martin Braun, einem in sich ruhenden Schwarzwälder im Mittelfeld des Sport Clubs, der Versuch, die kämpferischen Energien im Team zu beleben, unfreiwillig daneben: „Die können bei Bayern auch zehnmal soviel verdienen wie wir hier“, sagte er, „wenn ich dafür nicht jeden Samstag in Lederhosen rumlaufen muß.“

Es kam also, wie es kommen mußte. Die Freiburger, auf die alle so sehnsüchtig gewartet hatten, kamen mit einer halben Stunde Verspätung in der Bundesliga an. Und die reichte, um an diesem ersten Spieltag auch gleich den Anschluß verpaßt zu haben – Bayern führte schon 3:0. Zuerst kam Markus Schupp durchs Mittelfeld gestürmt nach dem Motto: „Paßt auf, jetzt spiele ich gleich einen Doppelpaß, und dann haue ich ihn rein“ – was er dann erstaunlicherweise auch so machen durfte. Und danach war es – fast schon symbolisch – Freiburgs Kohl vorbehalten, der eh schon mit der Ungnade des Geburtsnamens gestraft ist und im Team „der Kanzler“ genannt wird, mit einem Patzer und einem Ausrutscher dem Neu-Bayer Valencia zu zwei Treffern und damit einem gelungenerem Einstand zu verhelfen.

Aber so schlimm war's denn ja doch nicht. Im Gegenteil: als viele schon ein Debakel vermuteten, zeigten die Südbadener mit manchem munter vorgetragenen Angriff, daß sie nach überwundenden Akklimatisierungsproblemen wohl auch im Fußball-Oberhaus für manchen Zungenschnalzer werden sorgen können. Und wem Freunds Anschlußtreffer noch nicht reichte, für den hatten die Erbsenzähler von Reinhold Beckmann eine Stunde später weiteren Trost parat: elfmal hatten die Bayern aufs Tor geschossen, 13mal die Freiburger. Na dann. Ulrich Fuchs

SC Freiburg: Schmadtke - Heidenreich - Kohl, Seeliger (77. Buric) - Braun, Zeyer, Todt, Cardoso, Linderer (60. Simon) - Freund, Spies

Zuschauer: 58.000; Tore: 1:0 Schupp (8.), 2:0 Valencia (15.), 3:0 Valencia (24.), 3:1 Freund (37.)

Bayern München: Aumann - Jorginho, Matthäus, Helmer, Ziege (72. Nerlinger) - Zickler, Wouters, Schupp, Sternkopf - Valencia (59. Mazinho), Witeczek