Ohne weiteres ohne Intendanten

■ Rolf Rempe, derzeit alleiniger Chef des Bremer Theaters, über die schwerwiegende Frage, wie es weitergehen soll mit seinem Haus

Heyme ist untergegangen, kein Nachfolger in Sicht. Kresnik zieht nach Berlin, die Sparkommissare rücken ringsum heran: Das Bremer Theater hat viele Gründe, über seine Zukunft schärfstens nachzudenken. Für die nächste Spielzeit wird der Verwaltungsdirektor Rolf Rempe vorübergehend die künstlerische Leitung übernehmen, die übernächste müßte aber eigentlich auch schon längst geplant werden. Die Lage ist also ein wenig gespannt. Die taz fragte Rempe nach krampflösenden Mitteln.

Ist Ihnen ein wenig bang vor dem kommenden Jahr?

Bang? Ach, es ist nun nicht gerade mein Metier, den Intendanten zu spielen, aber ich kann auch nicht vor all den künstlerischen Entscheidungen einfach davonlaufen. Ich muß zusehen, wie ich das meistere: immer in Absprache mit unseren Fachmenschen.

Können Sie den Spielplan halten? Der wackelte doch schon bei der Vorstellung ein bißchen?

Nein, ich glaube, das wird uns gelingen.

Auch mit Hilfe von Gastspielen plattdeutscher Ensembles wie demnächst im November?

Das hat eher mit der Anzahl der Vorstellungen zu tun. Da hatten wir ja in der Vergangenheit absolut zu wenig. Jetzt wollen wir wesentlich mehr machen, auch schon mal solche Sachen: Das sind sozusagen die Streusel auf unserem Kuchen. Vielleicht finden da ja mal wieder ganz andere Leute ins Theater. Es ist ohnehin meine feste Überzeugung, daß dieses Haus ein viel breiter gefächertes Angebot haben muß, um Zuschauerzahlen zu kriegen, die sich halbwegs rechnen.

Wer darf denn dann noch alles als Streusel gastieren?

Ich hoffe, daß da auch aus dem Haus selber noch einiges zu holen wäre: ab und zu eine kleine Matinee machen, ein Chorkonzert mit populäreren Sachen, eine Operngala.

Schön. Könnte man da nicht gleich die Intendantenstelle einsparen?

Das ist eine Überlegung, die man sehr wohl anstellen sollte, auch wenn ich nicht noch einmal in den Verdacht geraten möchte, da für mich selber zu sprechen. Der größte Teil der Theaterarbeit ist ja doch ein ganz normaler Produktionsprozeß und als solcher auch kaufmännisch zu organisieren. Das wird sich sowieso früher oder später als unumgänglich erweisen, gerade an Häusern unserer Größenordnung. Ich könnte mir also ein Theater vorstellen, das von einem Geschäftsführer geleitet wird, dem dann wiederum Spartenleiter mit jeweils festem Budget unterstellt sind. Die müßten

Rolf RempeFoto: Christoph Holzapfel

natürlich im künstlerischen Bereich autonom arbeiten können.

Im wirklichen Leben wird immer noch ein Intendant gesucht.

Das ist die Entscheidung des Aufsichtsrates, ja.

Müssen Sie nicht dennoch auch schon die übernächste Spielzeit in Angriff nehmen?

Ja, und das ist eigentlich das größte Problem. Die müßten wir jetzt schon mindestens zur Hälfte geplant haben. Deshalb meine dringende Bitte an den Aufsichtsrat und seine Vorsitzende, Frau Dr. Trüpel: Man möge doch bitte jetzt klären, ob man in den kommenden Wochen für diese übernächste Saison noch jemanden findet — oder ob es eben keine geeigneten Kandidaten gibt. In diesem Fall hielte ich es für besser, man verlängerte die Übergangszeit nochmal um ein Jahr und suchte dann in Ruhe den Intendanten. Da wäre wenigstens das Theater wieder handlungsfähig.

Daß sich so schnell noch einer findet, ist doch eh schon komplett ausgeschlossen.

Ich bin da auch skeptisch. Wer jetzt noch keinen Vertrag hat für den nächsten Sommer, den würde ich mir schon genau anschauen.

Wieso gibt's denn nicht mal eine Findungskommission?

Das müssen Sie den Aufsichtsrat fragen.

Woher überhaupt die Eile?

hierhin bitte

das Foto von dem

Mann, der den Kopf

in die Hand stützt

Ich glaube, es liegt ein bißchen an der Furcht, die man hat und die ich so nicht habe, daß ein Theater ohne Intendant ein Zeichen von Schwäche sei oder daß man als entschlußlos erscheinen könnte. Ich denke, ein Betrieb von 450 Leuten kann nicht allein von einer Person abhängig sein. Sicher, ein Intendant gibt dem Haus ein Gepräge, aber man kann auch für eine Übergangszeit einen interessanten Spielplan gestalten, wenn es nicht überhaupt eine Chance ist, sich stärker dem Publikum zuzuwenden.

Könnte man nicht gleich auch den Generalmusikdirektor einsparen? Wir haben doch zwei patente Kapellmeister?

Die mußten ja auch unter Viotti schon ganze Inszenierungen betreuen. Jetzt kommen sie nur ein bißchen stärker in den Vordergrund. Ich glaube, die können das auch gut ein, zwei Jahre so machen.

Wo wir schon beim Sparen sind: Denken Sie daran, eine Sparte zu schließen?

Ich bin gern bereit zu diskutieren, wo wir langfristig und organisch abbauen können. Das schnelle Absäbeln aber macht wenig Sinn: Meine große Sorge ist, daß wir kurzfristig vor irgendwelche Sparquoten gestellt werden und daß ich dann die Verträge zur Hand nehmen muß, die gerade zufällig auslaufen. Das liefe jeder Planbarkeit zuwider.

Zufällig geht aber Kresnik sowieso.

Ja, und möglicherweise ist das Tanztheater dann wirklich nicht mehr haltbar. Oder wir haben in allen drei Sparten nur noch Mittelmaß. Das ist ja überhaupt eine schwierige Frage: Wer soll nach Kresnik überhaupt noch antreten? Ich persönlich würde als Lösung einen vorübergehenden Gastspielbetrieb favorisieren. Erstens sähe man in Bremen mal, was es sonst noch so gibt. Zweitens ergibt sich daraus mal der Wunsch, mit der einen oder andern Persönlichkeit tatsächlich wieder ein neues Ensemble aufzubauen.

Aber selbst wenn Sie das Tanztheater aufgeben, sparen Sie gerade mal die aktuell geforderte Quote von 1,3 Millionen ein. Es ist aber auch weiterhin mit endlosen Sparrunden zu rechnen. Was spräche dagegen, auch gleich noch die Oper dicht zu machen?

Richtig, das gäbe erst wirklich Luft. Da könnten wir auch noch auf's Orchester verzichten, wenn wir jetzt schon rumspinnen; wir haben ja auch noch die Kammerphilharmonie. Also: ich fühle mich ganz unwohl dabei, so eine Debatte anzuzetteln. Man muß sie vielleicht anzetteln, um klarzumachen, über welche Alternativen wir überhaupt diskutieren. Wir sind ja vom absoluten Minimum für ein Dreispartenhaus gar nicht mehr weit entfernt.

Zum Teil liegt das bekanntlich an einer gewissen Schwerfälligkeit des Theaterapparats. Selbst der Bühnenverein macht da jetzt schon weitreichende Reformvorschläge. Könnte da Bremen nicht erhobenen Hauptes vorangehen?

Nun ja, was das Problem der sieben verschiedenen Tarifverträge betrifft, da sehe ich wenig Möglichkeiten, voranzupreschen. Es wäre abenteuerlich, da für Bremen Separatregelungen anzustreben. Man kann nur hoffen, auch wenn das zynisch klingt, daß bald auch große und größte Bühnen in diese Notlage kommen, damit das zügig gelöst wird und nicht irgendwann einfach die kleineren nicht mehr mithalten können. Noch halte ich den großen Wurf für möglich; der Ernst der Lage ist ja vielfach schon erkannt.

In Frankfurt spart man inzwischen regelrecht an der Ausstattung: Da macht man Bühnenbilder im Baukastensystem, fast wie beim Messebau, die für alle möglichen Inszenierungen taugen.

Keine schlechte Idee. Früher hat man sich ohnehin viel öfter aus dem Fundus bedient. Oft genügen ein paar Handwerkerstunden, ein bißchen Umspritzen, und eine Kulisse ist wie neu. Dagegen ist es je heute oft krankhaft, wie Ausstatter beispielsweise auf einem Handlauf mit 15 Prozent Neigung bestehen, wo man einen mit 18 Grad schon hätte. Das ist kein Witz. Natürlich gefällt es einem Künstler, die Grenzen des Theaters auszureizen, jedesmal das Bühnenrund neu aufzubauen und mit Lasern und hydraulischen Maschinen zu hantieren. Aber das ist im Grunde verschleudertes Geld. Als ob wir darin je mit dem Kino konkurrieren könnten. Fragen: Manfred Dworschak