Junkie-Frauen und ihre Kinder

■ Fachtagung des Sozialressorts über „Frauen und Sucht, Kinder in Suchtfamilien“

„Durchs Drauf-Sein hatte ich so gut wie gar keine Beziehung zu meinem Sohn, ich konnte mich nie so richtig um ihn kümmern, habe ihn oft abgeschoben“. So erzählt eine Ex-Junkie-Frau über ihr Leben bevor sie Hilfe bekam im Berliner Projekt Violetta Clean. Ulrike Kreyssig, Mitarbeiterin dieses bisher einmaligen Projektes für drogenabhängige Frauen mit Kindern in der Bundesrepublik, hat gestern in Bremen auf der Fachtagung „Frauen und Sucht, Kinder in Suchtfamilien“ über ihre Arbeit berichtet. Bremen soll aus den Berliner Erfahrungen lernen.

Die Initiative zur Tagung ging von Gröpelingen aus. Dort ist der Kontakt zu den abhängigen Müttern am engsten. „In Gröpelingen wird gemeindenah gearbeitet. Die Zugangsschwelle zur Behörde ist relativ niedrig, so daß wir wiederum viel Erfahrung mit drogenabhängigen Frauen oder Familien mit Kindern haben“, erzählt Herbert Holakovsky vom Amt für Soziale Dienste Mitte- West. Auf der Tagung treffen sich MitarbeiterInnen aus verschiedenen Drogenberatungsstellen, dem Gröpelinger Gesundheitsladen und dem Amt für Soziale Dienste mit dem Ziel dieses gemeindenahe Versorgungssystem noch besser zu vernetzen.

„Man kann nicht mehr daran vorbeigehen, daß Drogenabhängige auch Kinder haben, wie alle anderen Menschen auch“, sagte Kreyssig. Viele drogenabhängige Frauen würden hoffen, daß sie über das Kind von den Drogen loskämen. Durch Anschaffungs- Prostitution oder Vergewaltigung wissen die Frauen oft nicht, wer der Vater ihres Kindes ist. Weil die meisten Frauen illegale Drogen nehmen, suchen sie häufig gar keine Hilfe. Da es ohnehin wenig Mittel für alleinstehende Mütter gibt, bleiben die Frauen in der Anonymität.

Viele drogenabhängige Frauen haben Angst davor, daß ihnen die Kinder weggenommen werden könnten, berichtet Ulrike Kreyssig. Damit keiner merkt, was los ist, haben auch die Kinder keinen Kontakt zu anderen Kindern, und kommen oft nicht in den Kindergarten. Diese Kinder lernen ganz früh für die Mutter zu sorgen, bringen Spritzen weg oder verstecken alles, wenn Besuch kommt. Und eine der grundlegenden Erfahrungen der Kinder sei, daß sie keine emotionale Unterstützung bekämen.

„Die Frage dabei ist zum Beispiel, wie lange man es zulassen kann, daß Kinder in Familien aufwachsen, wo die Eltern drogenabhängig sind“, sagt Anton Bartling, Leiter der Drogenberatungsstelle (DROBS). Anfangs bemüht sich die Behörde immer das soziale Umfeld der Kinder anzusprechen, um die Versorgung der Kinder zu klären. In Pflegefamilien kämen die Kinder eher selten, berichtet Holakovsky.

Das Amt für Soziale Dienste in Gröpelingen arbeitet mit dem Stadtteilbüro der „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe“ zusammen. Im Stadtteilbüro trifft sich seit zwei Jahren eine Mutter-Kind- Gruppe. Das ist die einzige Einrichtung in Bremen, die speziell auf die Problematik von drogenabhängigen Frauen und ihren Kindern eingeht. Ein mal pro Woche gehen die Frauen ins Stadtteilbüro, wo sie Unterstützung bekommen, „damit sie sich mit ihrer Situation auseinandersetzen“, sagt eine Mitarbeiterin. Hier wird auch versucht auf die Nöte der Kinder einzugehen. Das Stadtteilbüro hat Kontakt zu Kindergärten und Schulen.

Durch eine Dezentralisierung sei es nach Auffassung Bartlings „leichter an die Frauen heranzukommen“. Seitdem das Angebot des Drogenbusses in der Friesenstraße eingestellt wurde, hat sich die Situation dort verschlechtert, zu vielen Frauen sei der Kontakt abgebrochen, sagt Bartling.

Vivianne Agena