Bonns Spione klagen um ihren guten Ruf

Der Chef des Bundesnachrichtendienstes sowie Ex-Agenten und zwei Journalisten ziehen juristisch gegen ein Buch über den Pullacher Geheimdienst zu Felde  ■ Von Thomas Scheuer

Berlin (taz) – Hört der Bundesnachrichtendienst illegal Telefone ab? Verfügen die deutschen Auslandsspione überhaupt über die technischen Möglichkeiten, im Inland bei Bedarf den Telefonverkehr „flächendeckend“ abzulauschen? Wirkte ein Lufthansa-Manager in Moskau als illegaler BND-Resident? Betreibt der BND für hauseigene Alkoholiker eine spezielle, natürlich topgeheime, Dienststelle in München? Solche, teils brisante, teils eher humoreske Fragen werden womöglich demnächst deutsche Gerichte klären müssen. Denn wegen entsprechender Behauptungen in dem soeben erschienenen Buch „Der BND – Schnüffler ohne Nase“ sehen sich in diesen Tagen Autor und Verlag einer Lawine von Unterlassungsbegehren und Klageandrohungen gegenüber. Fast täglich laufen neue Anwaltsschreiben ein. Kläger sind meist ehemalige Mitarbeiter des Geheimdienstes. Aber auch dessen Präsident höchst persönlich, der vormalige SPD-Bundestagsabgeordnete Konrad Porzner, will mit Paragraphenhilfe für das Image seines geheimen Dienstes fechten.

Verfasser des wegen seiner Fakten- und Detailfülle einem Nachschlagewerk ähnelnden 516-Seiten-Buches ist der frühere Bundeswehr-Berufsoffizier Erich Schmidt-Eenboom, heute Leiter des Forschungsinstituts für Friedenspolitik im bayerischen Weilheim. Schmidt-Eenbooms Ansatz: Nach dem Ende des Ost-West- Konflikts werden Bedeutung und Aufgaben des geheimen Auslandsnachrichtendienstes zunehmend von den globalen Ambitionen der Bonner Außenpolitik – Stichwort: Blauhelmeinsätze der Bundeswehr – bestimmt. Daher sei eine wissenschaftlich-kritische Auseinandersetzung mit dem BND so aktuell wie überfällig.

Den Unmut des BND-Präsidenten lösten vor allem Recherchen über die funktechnische Aufklärung des BND aus. Nach Porzners Willen soll Schmidt-Eenboom folgende Behauptungen, die er in seinem Buch, teilweise auch in einem „stern“-Interview äußerte, unterlassen, bzw. zurücknehmen: Der BND sei technisch in der Lage, den Telefonverkehr in Deutschland flächendeckend zu kontrollieren. Der BND betreibe illegale Telefonabhöraktionen. Aufgrund programmierter Schlüsselwörter schnitten BND-Computer bestimmte Telefonate automatisch mit. Der BND sei eine unkontrollierte Behörde ohne funktionierende parlamentarische Aufsicht; nicht einmal der Präsident werde über alle Operationen informiert. Und last not least: Alkoholkranke Agenten würden in einer speziellen Dienststelle entsorgt.

Bis heute, Dienstag, 11 Uhr, so fordert das Münchner Anwaltsbüro Romatka im Namen des BND-Chefs, soll Autor Schmidt- Eenboom erklären, fürderhin solches nicht mehr zu verbreiten. Doch eine gerichtliche Auseinandersetzung scheint unvermeidlich. Denn Schmidt-Eenboom will bei seiner Kritik bleiben, wie er gegenüber der taz erklärte, und hat den SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Andreas von Bülow mit seiner Rechtsvertretung betraut.

Neben in ihrer Berufsehre gekränkten Ex-Agenten ziehen auch zwei Journalisten gegen das Buch juristisch zu Felde. Paul Limbach und Heiner Emde, derzeit beim Münchner Nachrichtenmagazin Focus unter Vertrag, wehren sich gegen die Behauptung, vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz für eine Publikation finanziell persönlich gesponsert worden zu sein. Dabei behauptet Schmidt-Eenboom das in dieser Form gar nicht: Vielmehr sei die Herausgabe des fraglichen Buches als solches mit 4.000,- Mark vom Verfassungsschutz subventioniert worden – was verlegerisch wie journalistisch ja schon problematisch genug ist.

Am Wochenende lief eine weitere Klage bei Schmidt-Eenboom ein: Der Lufthansa-Manager Hans-Joachim Barakling, ein ehemaliger Luftwaffenattache, wehrt sich gegen Schmidt-Eenbooms Behauptung, seit 1988 unter den Fittichen des Kranichs als illegaler BND-Resident in Moskau operiert zu haben. Laut Schmidt-Eenboom sei dieser Fakt seinerzeit von einem Stasi-Maulwurf aus der Pullacher BND-Zentrale via Ostberlin zum KGB gelangt und dort in Akten und Konferenzprotokollen mehrfach aktenkundig geworden.

Humoreske Züge weisen die Bemühungen eines BND-Agenten mit dem literarisch unbescheidenen Decknamen „Frisch“ auf. Der fühlt sich in seinem „Geltungswert erheblich herabgesetzt“. Laut Buchtext soll der Geheimdienstler, obwohl bar entsprechender Sprachausbildung, zunächst Leiter des BND-Sprachdienstes, später zweiter Mann in der BND-Filiale in Paris gewesen sein. Sein juristisches Begehren nach Widerruf dieser Behauptungen samt fünftausend Mark Schmerzensgeld untermauert der Mann mit der Zeugnis- Kopie eines Münchner Spracheninstituts über vier Semester Französischunterricht. Als Beweismittel taugt der Schrieb freilich wenig: Der Mann hat Namen wie Noten geschwärzt. Selbst die Vollmachtserklärung für seinen Anwalt weist keinen rechtsgültigen Klarnamen auf. Geheim bleibt geheim, selbst wenn es um die persönliche Ehre geht.