Namibias Uran strahlt kaum

Roessing-Minenarbeiter glauben Berichten über ihre gesunden Arbeitsbedingungen nicht / Swapo-Regierung und Mine in einem Boot  ■ Aus Swakopmund Willi Germund

Die Männer im Versammlungslokal von Namibias Bergarbeitergewerkschaft MUN im Industrieviertel von Swakopmund fühlen sich bestätigt. „Die Internationale Atomenergiekommission (IAEA) ist ja keine neutrale oder kritische Institution“, erklärt ein kanadischer Fachmann auf dem Videofilm, „sie gehören zu den Befürwortern der Branche.“ Das haben die dreißig Arbeiter, die alle bei Namibias Bergwerkkonzern Roessing im Uranabbau ihren Lebensunterhalt verdienen, auch schon vermutet. Ihr Unbehagen wächst.

Der Grund: Im Herbst 1992 besuchte eine Kommission der Wiener IAEA das Bergwerk inmitten der Wüste an der Atlantikküste Namibias. Das Ergebnis, das seitdem in allen Hochglanzbroschüren des Roessingkonzerns zitiert wird: „Strahlensicherheit, Sicherheit am Arbeitsplatz und medizinisches Überwachungsprogramm könnten der Industrie in anderen Teilen der Welt als Beispiel dienen.“

Dem 35jährigen Elektriker Clive Johannes reicht das nicht. „Was heißt das schon“, beschwert sich der Vater von vier Kindern, „wir werden von Firmenärzten untersucht, und die halten ihre Ergebnisse unter Verschluß. Uns, den Betroffenen, wird kein Einblick gewährt.“ Die Gewerkschaftler haben sich deshalb einen Mediziner im Nachbarland Südafrika besorgt. Der Universitätsprofessor aus Kapstadt soll untersuchen, ob stimmt, was Roessing behauptet.

Nach Angaben von Roessing enthält das abgebaute Gestein im Tagebau bei Swakopmund nur wenig Uran. Die stärkste Strahlung trete bei der Endfertigung auf. Und deshalb, so steht es in einer Roessing-Broschüre: „Kein Angestellter der Roessing-Mine ist jemals wegen radioaktiver Strahlen krank geworden, und wir sehen für die Zukunft keine Probleme voraus.“

Bei der Versammlung der Gewerkschaftler am Stadtrand von Swakopmund werden solche Versicherungen nicht ernst genommen. „Ich kenne einen Kollegen, der ist jetzt an Krebs erkrankt. Er hat lange bei Roessing gearbeitet.“ Von Arbeitgeberseite kommt in solchen Fällen immer nur ein lakonisches: „Prove it“ – beweisen Sie es. Der Mann ist längst ausgeschieden und sorgt sich um die Finanzierung seiner Behandlung.

In der Frage der Belastung durch Radongas muß sich die Gewerkschaft ebenfalls auf Angaben der Betriebsleitung verlassen. Selbstverständlich sieht sich Roessing auch in diesem Bereich in vorbildhaftem Licht. Die sogenannte „Exhalation Rate“ – die Ausatmungsrate aus dem Abraum des Tagebaus in Arandis – sei nicht höher als die Strahlung außerhalb des Uranabbaugebiets.

Namibias Regierung gibt sich mit solchen Mitteilungen zufrieden. Sie akzeptierte auch das Ergebnis der Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde. Präsident Sam Nujoma und die von ihm geführte ehemalige Befreiungsfront Swapo legen seit seiner Regierungsübernahme im Jahr 1990 großen Wert auf ein reibungsloses Verhältnis zur Bergwerksindustrie. Schließlich werden acht Prozent der 1,8 Milliarden Mark Exporte des afrikanischen Staates von Roessing erwirtschaftet – und das obwohl das Unternehmen sich in einer Absatzkrise befindet.

In den vergangenen zehn Jahren fiel Roessings Produktion von Uran des Typs U 308 von über 4.000 auf 1.988 Tonnen, etwa fünf Prozent des Weltmarkts. Die Zahl der Beschäftigten ist mit 1.298 laut Betriebsangaben geschrumpft. Zwar sind 61 Prozent in der Bergarbeitergewerkschaft MUN organisiert. Doch angesichts der kritischen ökonomischen Lage des Uranabbaus und der unternehmerfreundlichen Regierung Namibias stehen die Aussichten für die Gewerkschaft, ihre Forderung nach mehr Transparenz und strengeren Gesundheitsauflagen durchzusetzen, ziemlich schlecht. Einer der Arbeiter im Gewerkschaftslokal: „Früher haben wir die Swapo unterstützt, jetzt lassen sie uns im Stich.“