Verhandelt Israel direkt mit der PLO?

■ Regierungskreise pflegen bereits seit Jahren geheime Kontakte zur PLO /Arafat könnte Bedingungen akzeptieren

Ein Teil des israelischen Kabinetts würde offizielle Direktverhandlungen mit der PLO–Führung unterstützen. „Wenn Tunis ein günstiges Angebot macht und unsere Bedingungen erfüllt“, sagte einer der Sprecher der Koalition. Doch für die Bevölkerung in den besetzen Gebieten steht Gewalt weiterhin auf der Tagesordnung. Einen Friedensschluß sehen die meisten noch in weiter Ferne.

Jedoch wissen israelische Regierungskreise, daß es ohne einen Durchbruch bei den Verhandlungen mit den Palästinensern auch keine ernsthaften Fortschritte in den anderen bilateralen Verhandlungen mit Jordanien, Syrien und dem Libanon geben kann. Dem steht auch nicht der Eindruck entgegen, den der US-Außenminister Christopher Warren während seiner Nahostreise machte, nämlich, daß die Palästinenser durch angeblich bevorstehende Separatabkommen zwischen Israel und Syrien „umgangen“ werden könnten.

Den Rücktrittswunsch der palästinensischen Unterhändler quittierte Regierungschef Rabin mit den Worten: „Wir haben in der palästinensischen Delegation niemanden mehr, mit dem wir reden können.“ Die palästinensischen Führer müßten begreifen, daß sie die Chance zu einer Absprache mit Israel verpassen und gleichzeitig auch die Unterstützung des eigenen Volkes verlieren würden, fügte Rabin hinzu. An den letzten Gesprächen mit Christopher hatten sich nur Chef–Koordinator Feisal Husseini und einige weitere Vertreter von Al Fatah, der Organisation von PLO-Chef Yassir Arafat, beteiligt.

Gesundheitsminister Ramon betonte, daß Israel die bisherige ablehnende Haltung gegenüber der PLO-Führung in Tunis neu bewerten müsse, falls sich herausstellen sollte, daß sie Israel gegenüber gemäßigtere Positionen bezieht als die Mitglieder der lokalen palästinensischen Delegation. Auch der stellvertretende Außenminister Belin vertritt die Ansicht, daß die hiesige Palästinenservertretung, mit der Israel verhandelt, „extremer ist als die PLO in Tunis“. Entgegen der sogenannten Madrider Formel, nach der Israel lediglich mit den palästinensischen Bewohnern der besetzten Gebiete verhandelt, wird Israel wohl seine Gesprächspartner wechseln müssen und mit Vertretern aus der PLO- Führung in Tunis direkt verhandeln.

Außenminister Shimon Peres meint allerdings, der Zeitpunkt dafür sei jetzt noch verfrüht: Zuerst müsse sich die PLO in eine unbewaffnete politische Partei verwandeln und noch einige weitere Differenzen mit Israel aus dem Weg räumen. Innerhalb der PLO-Führung gäbe es scharfe Auseinandersetzungen, weil einige zu weitgehende Konzessionen an Israel befürchteten. Aber die Palästinenser hätten einfach keine Alternative und seien gezwungen, die Verhandlungen fortzusetzen.

Nach Aussage informierter Kreise sind Geheimkontakte der israelischen Regierung mit der PLO bereits seit 1985 im Gange. In letzter Zeit sollen sie sich verdichtet haben. Ahmed Tibi, der Vorsitzende des Verbandes arabischer Akademiker in Israel sagte, daß bereits „einige Minister“ direkten Kontakt zur PLO pflegen. Tibi, der zugibt, eine Art ständiger Arafat- Berater und Verbindungsmann mit Sitz in Jerusalem zu sein, betont, daß es eigentlich zu keinem Rücktritt von Mitgliedern der Delegation gekommen sei. Die Differenzen, die es gab, seien inzwischen geklärt worden. Er weist auch darauf hin, daß es nur eine PLO-Führung gebe, und daß ihre politische Entscheidungen ausschließlich in Tunis getroffen werden. Die Delegation sei von der PLO-Exekutive lediglich zur Erfüllung der Aufgabe ernannt worden, die bilateralen Verhandungen mit Israel zu führen. Sie sei keine „zweite Führung“; die PLO stehe nach wie vor an der Spitze des palästinensischen Volks. „Nur Arafat kann einen Frieden mit Israel unterschreiben“, sagte Tibi gestern.

Die israelische Regierung weiß, wie stark die PLO-Führung an einer vollen Anerkennung durch Israel – und den USA – interessiert ist. Und darin sieht sie ihren Vorteil. Die zuletzt ausgetragenen Differenzen waren nicht nur Ausdruck eines Kompetenzstreites zwischen dem Ostjerusalemer „Orient House“ und der PLO- Führung in Tunis, sondern auch ein Signal der Bereitschaft Arafats, so gut wie alle von Israel geforderten Bedingungen für die Normalisierung der Beziehungen zu erfüllen. Für die Vertreter aus den besetzten Gebieten, die einerseits die Verhandlungen mit Israel selbst führen und andererseits mit ihrem Volk zusammenleben und dessen „Toleranzgrenze“ gut kennen, bereiten die aus Tunis via Fax übermittelten Instruktionen sowie die peinlichen Zeichen der Anbiederung an Israel und die USA immer mehr Schwierigkeiten mit der eigenen Bevölkerung.

Hier ist mit der Verzweiflung desillusionierter, in Not und unter Unterdrückung existierender Menschen zu rechnen. Aber auch mit dem Zulauf zu einer ohnehin starken Opposition. Und die warnt seit seit vielen Monaten vor dem „Ausverkauf“ bei den Verhandlungen mit Israel. Amos Wollin,Tel Aviv