■ Weniger Umwelt, mehr Kartell
: Wenn der Westen wollte, wäre die Kaligrube Bischofferode ein Umweltmusterknabe

Weniger Umwelt, mehr Kartell

Die Absprachen wurden klar gefaßt. Die Kaliwerke von Thüringen und Hessen dürfen im Verhältnis zwei zu eins die Werra verschmutzen. Jährlich zwei Millionen Tonnen Salz dürfen aus Thüringen in die Werra eingeleitet werden. Am Pegel in Gerstungen – unterhalb aller Einleitungsrohre – darf die Werra nicht mehr als 2,5 Gramm Salz pro Liter Wasser mitführen. Ziel der Vereinbarung: Die Trinkwasserversorgung Bremens aus der Weser soll sichergestellt werden. Das Werrawasser wäre nach dem Zusammenfluß mit der Fulda in der Hansestadt so weit verdünnt, daß höchstens 0,35 Gramm Salz pro Liter Wasser den Strom hinunterkommen. Der Werra-Verschmutzungsvertrag wurde von Hessen und Thüringen 1913 unterzeichnet.

Heute, 80 Jahre später, meldet der Gewässergütebericht der Bundesregierung, daß in Spitzenzeiten das Bremer Weserwasser etwa ein Gramm Werrasalz enthält – fast dreimal so viel, wie vorgesehen. Verantwortlich dafür sind nach wie vor die Kaligruben in Hessen und Thüringen. Die thüringischen Gruben etwa leiteten 1992 noch 11 Millionen Kubikmeter Salzlauge in die Werra ein. Die hessischen Gruben der Kali u. Salz AG begnügten sich nach eigenen Angaben mit nur 2,3 Millionen Kubikmeter Salzlauge. Das meiste Abfallsalz wird dort aufgehaldet. Weil aber über 70 Prozent der jährlichen Fördermenge auf der Halde landen, verschandeln Kali-u.-Salz- Salzberge von 130 bis 140 Millionen Tonnen die hessische Landschaft. Die Alternative, den salzigen Abraum gleich wieder unter Tage zu verbringen, würde, so Kali u. Salz, fast so viel kosten, wie die Förderung selbst und wäre damit unwirtschaftlich.

9 Millionen Kubikmeter Salzlauge jährlich werden in Hessen in eine poröse Gesteinsschicht im Umkreis von rund 100 Quadratkilometer um die Kaligruben verpreßt. Seit dem Beginn der Verpressung in den späten zwanziger Jahren sollen dort etwa 900 Millionen Kubikmeter hochprozentige Salzlauge angekommen sein. In der DDR allerdings mußte die Verpressung 1968 eingestellt werden, weil das Salzwasser sich im Laufe der Zeit durch das Gestein drückte und das Trinkwasser von Eisenach gefährdete. Zu DDR- Zeiten argumentierten die hessischen Kaligruben – die samt und sonders zur Kali u. Salz AG (Kassel), einer 75-prozentigen BASF- Tochter gehören – für die Versalzung sei vor allem die DDR verantwortlich, im Westen würden nicht einmal der zulässige Anteil von einem Drittel eingeleitet.

Nach der Wende ist auch für die Kali-Industrie alles anders. Einst waren 32.000 Menschen im ostdeutschen Kalibergbau beschäftigt. Sie förderten ein Drittel der weltweiten Produktion. Nach dem Willen der Treuhand dürfen heute nur noch 1,1 Millionen Tonnen hergestellt werden. Die verbliebenen 3.000 Arbeitsplätze soll Westmonopolist Kali u. Salz übernehmen – der nach den Worten seines Vorstandsvorsitzenden Ralf Bethke dann drittgrößter Lieferant weltweit werden will.

Für die Umwelt bringt die Schließung der DDR-Gruben zweifellos Vorteile. Kali u. Salz (Kassel) will neben der Kaligrube Zielitz in Sachsen-Anhalt nur eine der Gruben im thüringischen Werragebiet weiterführen: Unterbreizbach. Der Rest soll dichtgemacht werden, bzw. wurde bereits geschlossen. Eine rein betriebswirtschaftliche Logik der Kali-u.-Salz- Manager: Unterbreizbach liegt so nahe an zwei von Kali u. Salz betriebenen hochmodernen Westgruben Philippstal und Heringen, daß die drei zu einem Produktionsverbund zusammengeführt werden können. Weniger Arbeit bei gleichem Förderergebnis. Zunächst, so die Absicht von Kali u. Salz, wird Unterbreizbach mit hunderten Millionen Steuergeldern saniert, später könnte die Salzförderung aus Unterbreizbach die nicht ausgelasteten Verarbeitungsanlagen amortisieren helfen und so die Kostenstruktur verbessern. Ein feines Geschäft für Kali u. Salz.

Die innere Logik der Kali u. Salz spricht zunächst für Unterbreizbach und die politische Macht der Kali u. Salz sorgt bislang dafür, daß in Bischofferode kein Konkurrent zum Zuge kommt. Zum einen hat Kali u. Salz mit einer Konkurrenzausschlußklausel im Vertrag mit der Treuhand als Eigner der Mitteldeutschen Kali AG (MDK) vorgebaut. Danach darf die Treuhand stillzulegende Gruben nicht an andere potentielle Kaliproduzenten veräußern. Diese Klausel zielt direkt auf Bischofferode, die 80 Prozent ihrer Produktion an westliche Abnehmer lieferten.

Nachdrücklich macht normalerweise auch die Kali-u.-Salz-Konzernmutter BASF den eigenen Einfluß in Bonn geltend. Bundeswirtschaftsminister Günther Rexrodt (FDP) hielt das Kartellamt, das offenbar Einwände gegen den Fusionsvertrag hatte, von der Prüfung ab. Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) verdiente schließlich bei BASF seine ersten beruflichen Sporen, weshalb das BASF-Management die Interessen der Chemieindustrie auch immer wieder nachdrücklich im Kanzleramt vertritt. Das geht soweit, daß die bekannteste deutsche Giftmülldeponie im Salzschacht im hessischen Herfa- Neurode zwar der Kali u. Salz gehört, aber nicht Bestandteil des fusionierten Unternehmens ist. Hintergrund: Herfa-Neurode ist mit seinen saftigen Gebühren für über 130.000 Tonnen neu eingelagerten Giftmüll im Jahr ein Gewinnbringer, das fusionierte Kaliunternehmen bekommt wegen zu erwartender Verluste zunächst eine Milliardenspritze vom Eigentümer Treuhand. Die Treuhand kümmert sich nicht nur um die Altlasten, sie steht auch für die Fusionsverluste der Jahre bis 1997 bis zu 90 Prozent gerade, gewinnträchtige Sparten gliedert ein kluges Westunternehmen an dieser Stelle lieber aus. Der Coup wurde erst vollständig als die Kaligrube Sprinker, die die Thüringische Landesregierung gerne zur Giftmüllkippe und Konkurrenz von Herfa-Neurode aufbauen wollte, per Fusionsvertrag jetzt der Kali u. Salz zugeschlagen wird.

Die thüringische und hessische Landesregierung haben bei der Fusion von Kali u. Salz und MDK überhaupt nichts zu lachen. Die Thüringer sehen zu, wie sich Kali u. Salz die Rosinen aus der MDK herauspickt und sowohl Umwelt- wie soziale Probleme dem Land überläßt. Die Hessen wissen, das Kali u. Salz mit seinen 4.500 Arbeitsplätzen kein Kleinunternehmer ist. Außerdem sind die Wasser-(Versalzungs)rechte an der Werra mehr als 50 Jahre alt. Und juristisch ist ist es nicht so einfach, dort heranzukommen. Das sagt zumindest Uli Kist, zuständig für die Kali u. Salz im hessischen Umweltministerium. „Man kann die Einleitungsmodalitäten ändern, aber wenn man an den erlaubten Mengen rührt, wird's schwierig. Da droht Schadenersatzpflicht.“

Dabei haben die noch 1991 erneuerten Genehmigungen zur Werraeinleitung mit der Realität nur noch wenig zu tun. „Die meisten Fachleute sind sich einig“, hat Kist auf einer Kasseler Tagung im März beobachtet, „daß das Werrasalz nicht nur aus den Einleitungsrohren der Kali u. Salz kommt, sondern auch aus den Salzschwämmen ins Grundwasser und dann in die Werra gelangt“. Der Ministerialbeamte weiß, mit welchen Maßnahmen die Umweltprobleme des Kalis veringert werden könnten. Neuere Aufbereitungsverfahren vermindern die Salzlauge, Salzabfälle könnten weiterverwertet werden und ein größerer Teil des Abraumsalzes kann Untertage verbracht werden. Dies ist der Kali u. Salz bekannt. Jörg Holland, Leiter der dortigen Umweltabteilung, räumt ein, daß mit 20 bis 30 Mill. Mark der Umwelt pro Jahr ein bis zwei Mill. Tonnen Salzlauge erspart werden könnten. „Aber das ist viel Geld für wenig Resultat.“