Atonale Fehlfarben

■ Experimental-Nachwuchs stellt sich auf der Compilation STORA vor

Ein kleines Zigarrenkistchen, sehr flach, in fast quadratischem Format. STORA steht drauf. Drinnen finden sich keine Rauchwaren, sondern experimentelle und atonale Musik in einer Qualitätsbandbreite, die von einem krümeligen alten Baumstamm über eine Fehlfarbe bis hin zur Davidoff reicht. Trotzdem fühlen sich die sechs jungen Hamburger Bands, die sich auf dieser CD in limitierter Auflage feilbieten, so freundschaftlich verbunden, daß sie sich das gemeinsame Etikett STORA gaben.

Mit runder Würze und feingekräuseltem Rauch läßt sich Pagozara genießen. Jacques Dehon und Florian Mühlfried schufen drei stilistisch unterschiedliche Stücke, die sich jedoch in ihrer musikalischen Qualität gleichen. In „Kao“ kreuzt sich mittelalterliche Tonalität und barocke Struktur der englischen Schule, während „Zirkel“ ein zickiges, aber wunderschönes Zwiegespräch zwischen einem Piano und einer Violine bietet. In dem atonalen „Mars“ zeigen Pagozara, daß sie vielfältige, neue Sounds mit einem Gespür für Komplexität und Wirkung dramaturgisch hervorragend verweben können; ruhige, exzellente Tonmodulationen stoßen auf die Hektik eines John Zorn, und werden in einen Spannungsbogen gebracht, der die Dynamik von Barry Adamsons „Diamonds“ entwickelt.

Etwas kratziger raucht sich Hammafest. Die Germanentümelnden Jungs produzieren jeder für sich allein recht gute, dunkle Atonal-Häppchen: Thomas Jebens probt in „Hammar 592 Teil 1“ die Transponierung eines sägenden Geräusches; Gavin Schalkalwis versucht in „Wenn ein dunkler Stern strahlt“ das Unmögliche möglich zu machen, nämlich nicht nur etwas Dunkles strahlen zu lassen, sondern auch eine Synthese zwischen Blixa Bargeld und F.M. Einheit zu schaffen, ohne dabei wie die Einstürzenden Neubauten zu klingen.

Eine Fehlfarbe in der Zigarrenbox ist Anubis, hinter dem sich nicht der ägyptische Totengott verbirgt, sondern Jürgen Hall. Seine sehr simpel konstruierten Loop-Mixe schwanken zwischen überglücklichen Kühen und einsamen Düsenjets. Dieser hellen steht eine dunklere Fehlfarbe gegenüber: Günter Reznicek läßt es tief und mystisch grollen, es knarzt und ängstelt wie bei den frühen Coil.

Nicht genießbar in dem Holzkästchen - im übrigen mit einem starken Gummi zusammengehalten - ist der Rest: Idee des Nordens sollten lieber eine solche bleiben, denn ihnen fehlt die musikalische und kreative Substanz, während Alte Wehr zurück in den Übungskeller oder besser zurück in den Strunk sollten.

Insgesamt bietet STORA einen 70-minütigen Eindruck vom Werken des Hamburger Experimental-Nachwuchses. Die acht jungen Menschen zählen sich nicht zu jenem hanseatischen Geräusch-Untergrund, der sich mit seinen Eckpfeilern Ulrich Rehberg und Asmus Tietchens in Deutschland bereits einen Namen gemacht hat. Die Compilation ist nicht in einer der Rehbergschen Produktionsfirmen erschienen, sondern auf dem selbst gegründeten Label, das ebenfalls den Namen STORA trägt.

Greta Eck

STORA. Vertrieb: Discordia