Statt Semesterferien gibt es Sommer-Uni

■ Selbstverwaltete Seminare im Domizil bei den Philosophen an der FU sollen das Theoriedefizit vieler StudentInnen beheben / Universitätsleitung duldet die Seminare und Arbeitsgruppen bislang

Der Beginn der Semesterferien hat schon so manchem Uni-Streik ein unverhofftes Ende bereitet. Um diesmal nicht wieder in diese Falle zu tappen, beschloß die letzte studentische Vollversammlung an der Freien Universität, während der Ferien eine Sommer-Uni einzurichten, in der die bislang vielfach vermißte inhaltliche Arbeit geleistet werden solle.

Knapp dreißig StudentInnen kommen zur Zeit regelmäßig in das gemütliche, auch architektonisch reizvolle Philosophie-Gebäude in der Habelschwerdter Allee und nehmen an den selbstorganisierten Veranstaltungen teil. Der „harte Kern“ von ihnen hat sogar den derzeitigen Lebens-Mittelpunkt nach Dahlem verlegt, mittlerweile geduldet von dem Wachschutz, den die Uni-Leitung engagiert hat. Auch mit den übrigen NutzerInnen des Hauses gibt es keine Probleme, Büros und Bibliothek sind normal zugänglich. FU- Präsident Johann-Wilhelm Gerlach habe der Sommer-Uni sogar finanzielle Unterstützung angeboten. Die Benutzung des Gebäudes wollte der Hausherr jedoch lange nicht akzeptieren, berichtet Martin, der wie die meisten AktivistInnen Philosophie studiert.

Hochschulpolitische Fragestellungen machen einen wichtigen Teil der Themen aus, mit denen sich die Arbeitsgruppen (AG) beschäftigen. Beim Vergleichen von Gesetzeslage und -veränderungen in verschiedenen Bundesländern ist den TeilnehmerInnen nach Martins Eindruck deutlich geworden, wie sehr die Politik des Berliner Wissenschaftssenators einem bundesweiten Trend entspricht. Dabei hat die Sommer-Uni nicht nur in Papier geblättert, sondern den Kontakt mit anderen deutschen ASten gesucht. So haben Gäste aus Westdeutschland auch in verschiedenen Arbeitsgruppen mitgearbeitet.

Die Angebotspalette auf dem großen Stundenplan im Foyer des „Phil. Inst.“ geht jedoch über das Feld Uni-politischer Standardthemen weit hinaus. Lektürekurse (beispielsweise „Dialektik der Aufklärung“) finden sich ebenso wie „Jugendstil in Musik und Kunst“ oder „Anarchistische Methoden in der Philosophie“. Andere Gruppen sitzen gemeinsam an Ferienhausarbeiten für die „richtige“ Uni. Auch Spanisch- und Lateinkurse finden regelmäßig statt, selbst das Kochen wurde in gründlicher deutscher Manier einer „AG“ zugeordnet. Montags und donnerstags treffen sich beim Plenum alle TeilnehmerInnen. Die Atmosphäre ist durch gemeinsames Kochen, Essen und Übernachten recht familiär geworden, wohl ein Grund dafür, daß Martin noch nirgendwo an der Uni „so interessante Plena erlebt“ hat; „hier sind Grundsatzdiskussionen tatsächlich ergiebig“, hat er festgestellt.

Strategische Überlegungen, wie die im vergangenen Semester in Gang gekommene Protestbewegung im Winterhalbjahr weitergehen könnte, sind jetzt in den Ferien erst mal aufgeschoben worden. Das von Michael (Philosophie, Kunstgeschichte) formulierte Ziel, die Studis müßten „in die Lage kommen, das Studium radikal zu verändern“, steht mehr im Hintergrund der Diskussionen. Die theoretische Analyse des Uni-Konfliktes im gesellschaftlichen Zusammenhang sehen die StudentInnen als dringend nötig an. Früher seien sie doch nicht ernst genommen worden, meint Gregor, der neben Philosophie auch Politologie studiert, „die Profs konnten es sich leisten, auf unsere Vorschläge einfach nicht einzugehen“.

Zu den bisherigen Zwischenergebnissen rechnet Frithjof, der Germanistik und Philosophie studiert, allerdings auch eine ernüchternde Erkenntnis über die KommilitonInnen: „Der Zweifel an der Möglichkeit dessen, was man sich wünscht, ist stärker als früher.“ Auch die Bereitschaft zum Zuhören sei gering. Als auf der letzten studentischen Vollversammlung ein 15-minütiger Text verlesen wurde, hätten „viele schon nach zwei Minuten nicht mehr zugehört“, hat Frithjof festgestellt. Matthias Fink