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Warum starb Nirmala Ataie

■ Premiere des Bremer Dokumentarfilms über den gewaltsamen Tod einer nepalesischen Frau im Kino 46

Warum starb Nirmala Ataie?

Premiere des Bremer Dokumentarfilms über den gewaltsamen Tod einer nepalesischen Frau im Kino 46

In der Lederjacke von Nirmala Ataie, die eingefroren im Leichenhaus lag, fanden die Filmemacherinnen einen Brief an ihre Eltern: Das letzte Dokument der 22jährigen Nepalesin, das die Staatsanwaltschaft nicht mehr interessiert hatte, sobald Leiche, Tatwaffe und Mörder ermittelt waren. Ein gutes Jahr, nachdem Nirmala Ataie am 8.1.91 tot im Bürgerpark gefunden worden war, wurde ihr Ehemann Mohammed Ataie wegen Totschlags zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Die Gründe für Nirmala Ataies Tod blieben jedoch rätselhaft.

Warum starb Nirmala Ataie nennen Barbara Debus (ehemals taz-Redakteurin), Inge Buck (Hochschullehrerin) und Konstanze Radzewill (Autorin) ihre Dokumentation, eine Ko-Produktion mit Radio Bremen, die von den Filmbüros Hamburg und Bremen gefördert wurde. Für das Manuskript zu ihrem Film haben die Autorinnen bereits Ende 91 den ersten Bremer Dokumentarfilmpreis bekommen. Um mehr Hintergründe aufzeigen zu können, rekonstruierten die drei Frauen den komplizierten Fall: Die nepalesische Studentin Nirmala Ghimire hatte den afghanischen Flüchtling Mohammed Ataie in Kathmandu kennengelernt. Sie folgte ihm ins Asyl nach Deutschland und konvertierte zum Islam. 1990 heirateten die beiden. Der Ehemann erfuhr erst da, daß Nirmala nicht mehr Jungfrau war, fing an, seine Frau brutal zu mißhandeln.

Im Film berichtet davon der Pakistani, der mit den beiden in einer Asylanten-Unterkunft Am Dobben Tür an Tür wohnte: „Es ist grausam, das Gesicht einer Frau zu sehen, die zwei Stunden geschlagen wurde.“ Seine Aussage ist nur eines der vielen kleinen Mosaiksteinchen, welche die Filmautorinnen gesammelt haben, um sie zum Gesamtbild von Nirmala Ataies Schicksal zusammen zu fügen. Freundinnen, eine nepalesische Landsfrau, die Staatsanwältin, der Richter, die Polizei, ein afghanischer Dolmetscher, Mitarbeiterinnen und Frauen vom Frauenhaus der Arbeiterwohlfahrt — in welches Frau Ataie zwischenzeitlich geflüchtet war — kommen zu Wort. Ihre Zitate sind in schnell wechselnder Folge aneinandergereiht. Sie beleuchten den kulturellen Konflikt des Ehepaares „in der dritten Fremde“, zeigen das subtile Problem von Gewalt in der Ehe und die Reaktion und auch Ohnmacht der Behörden darauf und lassen erahnen, welch große Angst vor Abschiebung Nirmala Ataie davon abgehalten haben mag, sich ganz von ihrem Mann zu lösen.

Den drei Filmemacherinnen ging es um die Darstellung von Wirklichkeit. Sie bleiben auf Distanz. Kein Kommentar. Kein einseitiges Verurteilen des Ehemannes. Nüchtern und akribisch wiederholen die Autorinnen Fakt für Fakt. Ihre Dokumentation ist objektiv, macht betroffen und überzeugt.

Vor ein paar Wochen haben die drei Frauen Nirmala Ataies Eltern vom Tod ihrer Tochter unterrichtet. Silvia Plahl

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