■ In Schweden fand der erste Welt-Clown-Kongreß statt
: Die heilende Kraft der Knollennasen

Stockholm (taz) – „Unterhaltungskunst und seelische Gesundheit“, „Philosophie des Clownismus“: Durchaus Ernsthaftes stand auf dem Programm des ersten „Welt-Clown-Kongresses“ am vergangenen Wochenende im norschwedischen Küstenort Härnösand. Einige hundert männliche und weibliche – letztere allerdings noch klar unterrepräsentiert – Clowns aus aller Welt trafen sich, um Erfahrungen auszutauschen – von neuen Schminksorten, Themen und Tricks bis zu Fragen der effektiven Vermarktung. Um der Clownerei als Kunst eine womöglich angesehenere Nische im Kulturleben freizumachen, aber natürlich auch, um das reichlich erschienene Publikum zu erheitern.

„Noch immer“, so Sam Madsen, einer der InitiatorInnen des Kongresses, „haben Clowns einen unheimlich niedrigen Status innerhalb der Kulturszene. Sieht man von entwickelten Kulturländern wie China und Rußland ab.“ Aus beiden dieser Clown-Großmächte waren sie nach Härnösand gekommen und zogen hier die Aufmerksamkeit auf sich: Schauspieler von der Peking- und Kunju-Oper und Absolventen der Zirkusschulen von Moskau und Kiew. Wu Jianpin und Wang Jinxia von der Peking- Oper traten in einem historischen Spiel als Verwalter des Erbes und Erneuerer der Clownerie auf. Was die chinesische Gegenwart angeht, sei, so sie und ihre Kollegen von der Kunju-Oper, der Status beider Institutionen derzeit tief gesunken, eigentlich käme nur noch Publikum jenseits der 40 in ihre Vorstellungen. Die „Kulturrevolution“ von 1967 bis 1977 hat in der während dieser Zeit aufgewachsenen Generation Wirkung gezeigt, die Jüngeren zögen Popmusik allemal dem langsamen Tempo der Peking- oder der noch exklusiveren Spielform der Kunju-Oper vor. Daß beide überleben werden, davon sind die chinesischen Künstler allerdings überzeugt.

Die russischen Clowns plagen handfeste wirtschaftliche Probleme. Nach vierjähriger Ausbildung an einer der Zirkusschulen können sie eigentlich nur hoffen, schnell westliche Engagements zu bekommen. Von den Gagen in der Heimat können sie nicht leben.

Während von den europäischen Zirkusclowns fast nur traditionelles Repertoire zu sehen war, zeigten die beiden jungen Russen Nikolai Afanasiew und Andrei Fomenko, Absolventen der Zirkusschule von Kiew, welche Möglichkeiten es gibt, die Clownsrolle zu modernisieren, ohne mit Traditionen zu brechen. Ihr „Gasmaskentanz“ koppelte alte Zirkustricks mit Themen zu Variationen, wie Umweltkatastrophen oder der ungebrochenen Kriegswaffenproduktion. Zum Vortragsthema von Raymond Moody aus den USA auf dem Kongreß, „Humor – die heilende Kraft“, wäre bei solchen Themen ein Erfolg des rotnasigen August und seines weißgeschminkten Bruders nur zu wünschen. Reinhard Wolff