Liebe Videogrüße von der Heimatfront

■ Spaß muß sein: Die Deutsche Welle schickt jetzt "Wunschhits für Blauhelme" in die Wüste

Langweilig muß es sein in Belet Huen. Schwarzen helfen kann man nicht den ganzen Tag, schießen auf Anhänger des bösen Generals Aidid dürfen Deutsche (noch) nicht, und dann hat man unseren Blaumännern auch noch den Front-Urlaub in Kenia gestrichen. Aus lauter Fürsorge für die Truppe und deren Ehefrauen: ohne Präser im Marschgepäck kein Ausflug. Der erste deutsche Afrikafeldzug seit so langer Zeit, und unsere Jungs sterben nicht heldenhaft im Kugelhagel, sondern an Aids.

Wie also die Moral der Truppe aufrechterhalten? Mit einem Fernsehprogramm, extra für die Jungs im Wüstensand produziert, sagte sich Chefredakteur Christoph Lanz von der Deutschen Welle. Getreu dem Programmauftrag, im Ausland „die deutsche Auffassung zu wichtigen Fragen darzustellen“, konnten die Soldaten schon kurz nach Beginn der UN-Mission Nachrichtensendungen des Auslandsfernsehens der Deutschen Welle in ihren Zelten empfangen.

Junge Männer aber wollen auch Musik hören. Seit vergangenem Sonntag haben sie nun sogar ihre eigene Show: „Wunschmusik für Blauhelme“. Zwischen 18 und 19 Uhr somalischer Zeit – die jungen Männer denken an zu Haus und die Lindenstraße – strahlt der „Hit- Satellit“ der Deutschen Welle nun wöchentlich von Berlin aus in die Welt und ins deutsche Afrika- Camp.

Wer nun hausbackenes Schlagerfernsehen mit alten Soldatenhits wie Lilli Marleen erwartete, sieht sich allerdings enttäuscht. Militaristen können sich die Anschaffung einer DW-tauglichen Abhörschüssel sparen. MTV ist nicht weniger kriegerisch als die „Wunschhits“, die (bis jetzt) aus einer Abfolge von Videoclips mit Kurzmoderation bestehen. Für deutsche Fernsehverhältnisse jedenfalls bietet die Sendung richtig gute Musik. Zur Premiere gab's Rock- und Tanzsound von den Spin Doctors, Dr. Alban und U96 mit „Love see no colours“, in deren Video Schwarze in quietschebunten Gummianzügen unter Palmen rumhopsen. Könnte fast in Somalia gedreht sein.

In der Premierensendung griff Redakteur Olaf Tost aus Mangel an Wünschen noch auf einige Titel aus den deutschen Top 40 zurück. Ob sein Geschmack nicht doch wesentlich besser ist als der der Truppe und ihrer Angehörigen – denn auch die können „Wünsch dir was“ spielen –, wird man bei einem längeren Wüsteneinsatz der Deutschen und geplanten zukünftigen Sendungen feststellen können.

Zwei Wunschhits der Blauhelme bewiesen schon am ersten Abend richtungweisenden Charakter. Süffisant lächelnd entschuldigte sich Moderatorin Mariella Ahrens bei Gerd Winthausen aus Kassel, daß man leider das Tape seines Wunschkriegsfilms „Full Metal Jacket“ nicht auftreiben konnte. Dafür spiele man aber, extra für Gerd, Louis Armstrongs „What A Wonderful World“. Das Video zum Opel-Hit (der Song untermalt einen Werbespot der Autodealer), zeigt ein Konzert des jungen Armstrong und prägnante Szenen aus dem Film „Good Morning Vietnam“. Helicopter beschießen Vietnamesen, GI's winken, Strohhütten brennen, Kinder schreien.

Um die Ausstrahlung des Clips habe es in der Redaktion lange Diskussionen gegeben. Einen Wunsch zensieren wolle man aber auch nicht. Deshalb gab es dann auch gleich noch das Video zu AC/ DC's „Big Gun“ mit Arnold Schwarzenegger und kleineren Explosionsszenen. Richtig lustig wird es in den „Wunschhits für Blauhelme“ aber erst in den nächsten Wochen werden. Dann nämlich können die Männer in den weißen Panzern Videogrüße von daheim empfangen. Der Brief an den Liebsten im Kessel von Stalingrad hat ausgedient. Für den Hitzekessel von Belet Huen sind alle Angehörigen aufgefordert, mit der Kamera zu dokumentieren, „was zu Hause so passiert“, so Moderatorin Mariella. Sollte eine Blauhelmfamilie die Videokamera vermissen, weil der Mann sie heimlich mit nach Afrika genommen hat: kein Problem. Die Deutsche Welle schickt ein Team vorbei.

Ein wenig schockierend sollten die Bilder aber schon sein. Meine Heimkino-Vorschläge: Soldatenfrauen mit ihrem Liebhaber unter der Dusche, Soldatenkinder, die endlich mal den Reihenhausrasen mähen, das erste Abendessen ohne Papi, oder: die Kinder spielen mit Fahrradblauhelmen und Turban Bundeswehrübungen nach. All das will festgehalten und in die Wüste geschickt sein.

Wenn die Ausflüge in kenianische Bordelle weiterhin flachfallen, sollte die Deutsche Welle unbedingt ihr Blauhelm-Programm ausweiten. Die penetrant künstlich lächelnde Moderatorin Mariella Ahrens bräuchte zur Stimulierung der Truppe eigentlich nur mal ein Tape der Sendung ausstrahlen, die sie für den Berliner Kabelsender FAB herstellt und moderiert. In ihrer „Nachtschau“ gibt's zwar nur Seelenstriptease von Kontaktscheuen, die mehrere tausend Mark bezahlen, um per TV neue Lebensabschnittsgefährten anzulocken. Würde man hier nicht nur seine Hobbys entblättern, die Moral der Truppe wäre gleich noch mal so gut – auch ohne Ausflug nach Kenia. Andreas Becker