Polnische Äpfel im freien Preisfall

■ EG blockt polnische Früchte und Milch ab / Schweinefleisch wegen Mißernte im letzten Jahr extrem teuer / Regierung erwägt Ende von Importstopp

Warschau (taz) – Jetzt hat auch Polen seinen Milchsee. Die Überproduktion an Milchpulver hat in Polen inzwischen solche Ausmaße angenommen, daß die Molkereigenossenschaften bereits drohen, die Milchabnahme zu blockieren. Polens „Agrarmarktagentur“ hat in diesem Jahr bereits für umgerechnet 50 Millionen DM Interventionskäufe getätigt, ohne daß sich an der Situation entscheidendes geändert hätte. Polens Bauern klagen über einen „stillen Boykott“ durch die EG.

Ähnliche Probleme haben auch Polens Obstanbauer, die in diesem Jahr ebenfalls Preisverfälle erwarten. Einer der Gründe dafür sind die protektionistischen Maßnahmen der EG gegen polnische Kirschen und schwarze Johannisbeeren. Sie haben den Preisverfall in Polen selbst noch weiter angeheizt. Nun droht Polens Obstbauern aufgrund einer besonders guten Frühäpfelernte das gleiche Schicksal. Zeitungsberichten zufolge verkaufen manche Bauern ihre Äpfel auf den Warschauer Märkten bereits unter dem Selbstkostenniveau. Gleichzeitig machen ausländische Äpfel, vor allem aus Holland, den polnischen Früchten Konkurrenz; sie sind zwar teurer, kommen aber aufgrund der ästhetischen Verpackung trotzdem gut beim Kunden an.

„Der Markt im Osten ist sehr geschrumpft aufgrund der eingeschränkten Zahlungsmöglichkeiten unserer Partner“, umschreibt Wojciech Zelazny, Vizechef von Polens größtem Obstverarbeiter Hortex, die Tatsache, daß Kunden jenseits der Ostgrenze nur mit großen Verzögerungen und manchmal auch überhaupt nicht zahlen. Wie zahllose Kleinbauern, so bewegt sich nun auch Hortex am Rande des Konkurses. Und wie fast alle landwirtschaftlichen Betriebe, so hat auch Hortex seine Produktion per Kredit vorfinanziert. Als die Zinsen dann 1991 exorbitant stiegen, häufte die Firma, die 40 Prozent der polnischen Produktion verarbeitet, einen Schuldenberg von umgerechnet 160 Millionen DM auf. Jetzt versucht Zelazny, die Banken zu überreden, ihre Forderungen in Anteile umzuwandeln. Auch der EG-Boykott gegen Kirschen und Johannisbeeren hat Hortex schwer getroffen, denn die Firma ist der größte Exporteur von Fruchtsäften, Gefrierobst und Konzentraten in Polen.

Doch selbst wenn die Preise einmal steigen, haben Polens Landwirte kein Glück: Die zur Zeit stark in die Höhe gehenden Fleischpreise haben ihe Ursache nämlich nicht nur im Rückgang der Schweinehaltung, sondern auch im starken Anstieg der Getreidepreise. Ursache dafür ist wiederum die durch Unwetter verursachte Mißernte im letzten Jahr. Jetzt halten die Bauern ihre Schweine den Schlachthöfen vor – in der Hoffnung, daß die Preise weiter steigen.

Im Landwirtschaftsministerium wird inzwischen erwogen, ob man die Schlagbäume für Fleisch aus dem Ausland öffnen soll, denn im Wahlkampf sind Preissteigerungen beim Fleisch unerwünscht – Preisdrückerei bei den Bauern allerdings auch. Den Import von westlichem Fleisch hat Polen erst vor einigen Monaten gestoppt, als Vergeltung für den EG-Boykott polnischer Rinder, die angeblich die Maul- und Klauenseuche hatten. Klaus Bachmann