„Vorbedingungen muß ich nicht stellen“

■ Die niedersächische Justizministerin Heidi Alm-Merk befürwortet eine zeitlich befristete Zusammenlegung von Gefangenen aus der RAF, um ihnen damit eine politische Debatte zu ermöglichen

taz: Wie stehen sie zu dem Vorschlag, 18 Gefangene aus der RAF vorübergehend zusammenzulegen, um ihnen eine Debatte über ihre politische Zukunft zu ermöglichen?

Heidi Alm-Merk: Bisher kenne ich diesen Vorschlag lediglich aus der Presse. Im Grundsatz aber würde ich eine vorübergehende Zusammenlegung befürworten, wenn sich daraus tatsächlich die Möglichkeit ergibt, daß die Gefangenen eine Art Gewaltverzichtserklärung abgeben könnten. Eine solche Erklärung wäre sehr hilfreich.

Das Resultat einer politischen Debatte läßt sich naturgemäß aber nicht im voraus bestimmen.

Das ist sicher richtig. Hier wird man noch eine Reihe abklärender Gespräche über die Bedingungen, Voraussetzungen und Ziele einer kurzzeitigen Zusammenlegung führen müssen. Was die beiden in Niedersachsen in der Justizvollzugsanstallt Celle einsitzenden Gefangenen Lutz Taufer und Karl- Heinz Dellwo angeht, so haben diese allerdings bereits im Rahmen ihrer Anträge auf bedingte Haftentlassung Erklärungen abgegeben, und dies waren beides Erklärungen zum Gewaltverzicht.

Ihr Ministerkollege aus Rheinland-Pfalz Peter Caesar will eine vorübergehende Zusammenlegung nur erlauben, wenn sie tatsächlich zu einer Absage der Gefangenen an künftige Gewalt führt.

Ich brauche diese Vorbedingung nicht zu machen, weil eben die beiden Celler Häftlinge sich bereits erklärt haben.

Auch in der SPD gibt es Widerstand gegen eine vorübergehende Zusammenlegung. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Wilfried Penner lehnt sie als „Sonderbehandlung“ der Gefangenen aus der RAF ab.

Zum einen wird Herr Penner diese Frage nicht entscheiden. Zuständig und verantwortlich sind hier die Justizminister und Justizministerinnen, die sicher bald in Kontakt treten werden. Zum zweiten verkennen solche Äußerungen, daß die Kinkel-Initative durchaus ein Schritt zur Deeskalation war, daß sich hier eine besondere Initiative auch gelohnt hat. Natürlich war der Erfolg dieser Initiative nicht allein abhängig vom Bundesjustizminister, sondern auch von den Gerichten, die am Ende über Haftprüfungsanträge zu entscheiden haben. Es gilt aber weiterhin, daß die gesamte Gesellschaft ein Interesse daran haben muß, daß es nicht wieder zu Gewaltanwendungen kommt. Wir haben nun einmal im terroristischen Bereich eine Sondersituation, auf die wir auch entsprechend reagieren müssen, in der man also auch besondere Wege nicht von vornherein ausschließen darf.

Welche Chancen hat der Vorschlag unter ihren Kolleginnen?

Die Länderjustizminister werden sich sicher bald mit dem Vorschlag einer kurzzeitigen Zusammenlegung auseinandersetzen. Ich fürchte aber, daß dieser Vorschlag keine ungeteilte Zustimmung unter meinen Kolleginnen finden wird, daß es mit den Gefangenen aus Straubing in Bayern oder auch aus Baden-Würtemberg Probleme geben könnte. Es gab ja schon zur Kinkel-Initiative unterschiedliche Auffassungen unter den Ländern.

In Niedersachsen gibt es bereits jetzt für die RAF-Gefangenen eine Reihe von Möglichkeiten, politische Diskussionen mit Besuchern zu führen.

Wir hatten Besuche von Journalisten, eine Fernsehdebatte und auch andere Besuchergruppen, mit denen die Gefangenen diskutieren konnten. Damit haben wir einmal den Gefangenen nach der Gewaltverzichtserklärung die Möglichkeit gegeben, sich öffentlich zu äußern. Auch die übrigen Gespräche werden von der Celler Anstalt durchaus als sinnvoll angesehen und wirken zumindest entspannend auf die Haft. Im übrigen möchte ich für Niedersachsen feststellen, daß die Gefangenen aus der RAF inzwischen in den Normalvollzug integriert sind und dabei die Möglichkeit haben, sich den ganzen Tag untereinander und auch mit anderen Häftlingen zu treffen. Interview: Jürgen Voges