„Wohnliche Stadt“ vor derAuflösung?

■ Finanzressort hat verfassungsrechtliche Bedenken / Stiftung: Blödsinn

„Dem Senat steht ... nach ... Satzung der Stiftung Wohnliche Stadt das Recht zu, die Auflösung der Stiftung zu beschließen.“ Dieser Satz aus einem Rechtsgutachten des Finanzressorts sorgt derzeit für helle Aufregung. Die Stiftung Wohnliche Stadt, die pro Jahr rund 14,5 Mio. Mark aus den Bruttoerträgen der Spielbank bekommt und sie für die Verbesserung des Stadtbildes und der Wohnqualität wieder ausgibt, soll möglicherweise aufgelöst werden. Eine entsprechende Vorlage für den Senat hat die Finanzbehörde jetzt vorbereitet.

Nach Ansicht der Behörde ist die Spielbankabgabe eine Landessteuer, die bislang an einen privaten Dritten überführt wird. Das sei „verfassungsrechtlich bedenklich“, weil das Geld alljährlich um den Haushaltssouverän, die Bremische Bürgerschaft, herumgeleitet würde. „Staatliches Einnehmen mit öffentlich-rechtlichem Zwang läßt sich nur rechtfertigen, wenn die erhobenen Beträge zugleich öffentlich-rechtlich verausgabt werden“, heißt es in dem Gutachten. Die Stiftung Wohnliche Stadt ist dagegen eine Stiftung privaten Rechts. Die Bestimmung, nach der sie ihr Geld bekommt, ist im Bremer Spielbank-Gesetz geregelt.

80 Prozent der Bruttoeinnahmen der Bremer Spielbank wer

Stiftungs-Chef H.H.Euler

den bislang hälftig dem Finanzsenator und der Stiftung überschrieben, im letzten Jahr je 14,5 Mio Mark. Jetzt soll erst einmal alles in die Staatskasse fließen. Begründung: Weil in Bremen Haushaltsnotlage herrscht, kann der Stifter des Geldes, das ist das Land Bremen, seine Stifterrolle nicht mehr erfüllen.

Horst Heise vom Stiftungsvorstand findet das ungeheuerlich. „Die Bürgerschaft hat mit Zustimmung zum Spielbank-Gesetz entschieden, daß sie auf das Geld verzichten will.“ Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Behörde seien „blödsinnig“ und „von vorne bis hinten entkräftbar“. „Mich nur wundert, daß die Genehmigungsbehörde nicht einen immensen Hammerschlag dagegensetzt“, so Heise gestern.

Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde ist das Innenressort. Dort muß Dieter Matthey sich jetzt mit dem juristischen Gutachten aus dem Finanzressort auseinandersetzen. Die Stellungnahme liegt noch nicht vor. Metthey geht davon aus, daß die Stiftung „rechtlich einwandfrei errichtet worden ist“, der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit kaum zutreffen könne.

Inzwischen haben sich die Fraktionen von FDP, CDU und SPD für einen Erhalt der Stiftung ausgesprochen, weil sie städtebaulich wichtige Aufgaben ohne großen Verwaltungsaufwand erfülle. Die FDP erklärte, daß die Arbeitsgruppe Aufgabenoptimierung geschlossen für die Sicherung der Stiftung eingetreten sei, die CDU sprach von einem „Eigentor“ des Senats: Die Stiftung habe in den letzten Jahren „Flexible Beweglichkeit“ bewiesen und sei praktisch „unverzichtbar“. Besonders sinnig ist die Begründung der SPD: „Die Stiftung hat in den vergangenen Jahren ihre Gelder so gut wie ausschließlich für Zwecke ausgegeben, bei denen ansonsten der öffentliche Haushalt hätte herhalten müssen“, erklärte der SPD-Fraktionsvize Reinhard Barsuhn, der auch im Stiftungsrat ist. Wenn das stimmt, hat die Finanzbehörde ein weiteres Argument für die Auflösung der Stiftung. In der Satzung heißt es: „Die Verwendung der Mittel für Aufgaben, die dem Land oder den Stadtgemeinden im Rahmen ihrer rechtlichen Verpflichtungen obliegen, ist unzulässig.“

Alternativ zur Auflösung schlägt das Finanzressort eine neue Aufteilung des Spielbank- Geldes vor, gedacht wird an 10 Prozent. „Diese Maßnahme ist aber mit einem höheren rechtlichen Risiko behaftet als die Auflösung der Stiftung“, heißt es in dem Gutachten weiter. Das heiße aber nicht, daß die derzeit von der Stiftung finanzierten Projekte entfallen müßten, versicherte gestern das Ressort. Bei der Auflösung der Stiftung würde das Stiftungsvermögen (rd. 40 Mio. Mark) anteilig an Bremen und Bremerhaven fallen. mad