■ Rudolf Scharping und die Blauhelm-Debatte
: Kurswechsel plus Dementi

In dem edlen Bonner Wettstreit, wer die Kunst des Nebelwerfens und Schaumschlagens am besten beherrscht, rückt ein Mann unaufhaltsam nach vorn: Rudolf Scharping. An Vorbildern fehlte es ihm nicht. Wie Klaus Kinkel den militärischen Auftrag der deutschen Somalia-Truppe als humanitären Einsatz verklärte, das war schon bemerkenswert. Wie der neue SPD-Chef Rudolf Scharping dabei ist, unter dem Deckmantel der blaubehelmten Friedensliebe seiner Partei den pazifistischen Schneid abzukaufen, das ist unnachahmlich.

Die erste Nebelkerze durfte vor gut einer Woche Scharpings Gehilfe Günter Verheugen werfen. Deutsche Blauhelme müßten mehr tun dürfen, als nur sich selbst zu verteidigen, warf der neue Bundesgeschäftsführer in die Debatte – um gleich darauf verbreiten zu lassen, dies entspreche der geltenden Beschlußlage der SPD. Viele Sozialdemokraten waren sich da zu Recht nicht so sicher. Zumindest mit dem Bremer Parteitagsbeschluß der SPD von vor zwei Jahren, der deutschen Blauhelmen „keinen Einsatz von Waffengewalt, außer zur Selbstverteidigung“ erlauben wollte, wäre Verheugens mission defence nicht vereinbar gewesen. Selbst mit dem etwas vageren Bonner Parteitagsbeschluß eindeutig über Kreuz ist der jüngste Vorstoß, den Scharping persönlich unternahm. Hatte die SPD bisher darauf bestanden, im Grundgesetz müsse eine deutsche Selbstbeschränkung auf Blauhelm-Einsätze verankert werden, will der Parteichef nun per Verfassungsänderung auch UNO- Kampfeinsätze ohne Blauhelm ermöglichen.

Damit wäre die SPD schon ziemlich nahe an dem Kompromißvorschlag von Klaus Kinkel, und der FDP-Chef fand auch prompt lobende Worte für Scharping. Doch tricky Rudolf garnierte seinen Kurswechsel so geschickt mit lauten Beteuerungen, die SPD werde unabhängig von der Verfassungsänderung bei ihrem strikten Nein zu Kampfeinsätzen bleiben, daß viele auf seine Beteuerung hereinfielen, es gebe überhaupt keinen Kurswechsel. Ein klarer Fall von „Zwiesprech“: Die eine Wahrheit verbreitet Scharping, um der FDP Nettigkeiten zu sagen. Eine zweite Wahrheit hat er parat, um die mißtrauische Parteibasis einzulullen. Unbestreitbar muß sich die SPD Gedanken darüber machen, wie sich ihre strikte Position mit den von der Regierung gesetzten Fakten verträgt. Auf das Verfassungsgericht können die Sozialdemokraten nicht mehr viele Hoffnungen setzen. Doch was Scharping versucht – einen Kurswechsel einzuleiten und ihn gleichzeitig zu dementieren –, grenzt an Verdummung des Publikums. Hans-Martin Tillack