Mit Volldampf in die Sackgasse

■ Wie Daimler-Benz versucht, die Klima-Enquetekommission zu beeinflussen

Parlamentarier sind Universal- Dilettanten und die klügeren von ihnen stehen dazu. Diese Selbsterkenntnis veranlaßt sie, in kniffligen Fragen den Rat von Experten einzuholen. Für solche ständigen Konsultationen hat sich der Bundestag eine Enquetekommission geschaffen, eine gemischte Gruppe aus Abgeordneten und Experten.

Die sogenannte Klima-Enquete brütet derzeit über Problemen, die der Autoverkehr aufwirft. Immerhin 20 Prozent des Treibhausgases Kohlendioxid quillt in Deutschland jährlich aus Auspufftöpfen, mit rasender Tendenz nach oben. Seit 1987 sind die Emissionen um 17 Prozent gestiegen – doch eigentlich will man im Jahr 2005 um zehn Prozent unter dem Stand von 1987 liegen.

Von der CDU wurde Alfred- Herwig Fischer, Abteilungsleiter bei Daimler-Benz, in die Enquetekommission gewählt. Monatelang hat er Experten zum Thema angehört und jetzt einen Entwurf zur Verkehrspolitik der Zukunft vorgelegt. Herausgekommen sind 90 abgewogene Seiten, frei von kritischen Untertönen gegenüber dem kapitalistischen Wirtschaftssystem als solchem. Sein Tenor: Das Verkehrsproblem ist so komplex, daß große Vorsicht bei Eingriffen geboten ist. Kostprobe: „Der Zuwachs an Straßenverkehrsvolumen darf nicht getrennt von den damit einhergehenden Prosperitätsimpulsen beurteilt werden.“

Dieser Satz empörte die SPD- Mitglieder der Kommission. Heftig kritisierten sie den Autor Fischer – geradeso, als ob sie bislang nicht gewußt hätten, daß der Daimler-Mann als Verkehrsexperte der CDU die Kommissionsarbeit beeinflussen würde. Der von der SPD benannte Verkehrsexperte Eckart Kutter vom Deutschen Insitut für Wirtschaftsforschung in Berlin schrieb einen Gegenentwurf.

Kutter ist kein Autofresser, und sein Entwurf ist nicht etwa radikal. Kutter und Fischer glauben gemeinsam, daß mit sparsameren Autos am leichtesten und schnellsten die Treibhaus-Emissionen des bundesdeutschen Verkehrs verringert werden können. Rund die Hälfte des Sprits könnte man durch leichtere, kleinere Autos einsparen. Greenpeace mit der Kampagne fürs 2-Liter-Auto und Umweltminister Klaus Töpfer mit der Forderung nach einem 5-Liter- Auto sind also offenbar auf dem richtigen Wege.

Schon bei den politischen Konsequenzen aus solcher anderen Technik schlägt Fischers Angst vor der Komplexität durch. Kleinere Autos brächten doch auch mangelnden Komfort, schlimmer noch, weniger Sicherheit im Straßenverkehr. Kutter entgegnet, daß kleinere Autos natürlich mit einem Tempolimit und bei Brummis mit eingebauten Höchstgeschwindigkeiten einhergehen müßte. So ließen sich Sicherheitsprobleme zumindest entschärfen.

Das Beispiel beleuchtet das Problem, an dem alle ökologisch gestaltende Verkehrspolitik zu scheitern droht. Daimler-Manager Fischer sieht, daß das Prinzip der Verkehrsvermeidung erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen für seinen Arbeitgeber haben könnte. Entsprechend schwarz malt er die Zukunft. Weniger Verkehr bedeute weniger Wachstum. Schließlich hänge jeder siebte Arbeitsplatz am Auto. „Verteilungskämpfe, die den sozialen Frieden empfindlichen stören“, drohten.

Ohne konsequente Vermeidung aber kann der Moloch Verkehr nicht gestoppt werden. 133 Millionen Tonnen Kohlendioxid, 1,2 Millionen Tonnen krebserregendes Benzol und andere Kohlenwasserstoffe haben Auspuffe im vergangenen Jahr 1992 in die westdeutsche Luft gepustet. Vor den gesamtwirtschaftlichen Konseqenzen ist Gegengutachter Kutter weniger bange. Schließlich hat das Umweltbundesamt (UBA) festgestellt: „Eine Strategie der Verkehrsvermeidung ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht besonders effizient.“ Weniger Transportkosten, kürzere Reisezeiten und weniger Umweltverschmutzung führt das UBA an.

Für Fischer ist Autofahren ein Bedürfnis, und Verkehrsvermeidung käme einem Verzicht gleich. Das Bedürfnis, jederzeit mobil zu sein, werde vom Auto am besten befriedigt. Nur bei den Umweltauswirkungen hapert es ein bißchen. Kutter will nicht auf Mobilität, sondern auf Strecken verzichten. Drei Wege pro Tag seien seit Jahrhunderten normal, erst wenn die Wege zu weit werden, wird das Auto zum idealen Fortbewegungsmittel. Der Supermarkt vor der Stadt sei eben nur möglich, weil die Bürger jetzt die Kleintransporte mit ihrem Privat-Pkw unternehmen. Städtebau und Raumplanung müßten das Leben mit kürzeren Wegen wieder möglich machen.

Ein Grundrecht auf Automobilität könne es nicht geben, ansonsten müßten die Kosten fürs Auto künftig beim Sozialhilfesatz berücksichtigt werden. Solange es kein Recht auf freies Essen und freie Ernährung gebe, sei ein individuelles Recht auf freie Fahrt nur „pervertierter Sozialismus“.

Neben einer anderen Raumplanung, die Verkehr überflüssig mache, dürfe der Verkehr deshalb natürlich auch deutlich teurer werden. Selbst der doppelte Benzinpreis würde die finanzielle Belastung eines Durchschnittsautofahrers erst wieder auf des Niveau von 1977 bringen. Einspruch von der Gegenseite. Daimler-Manager Fischer warnt: Die Verteuerung des Verkehrs sei zwar wirkungsvoll, könne sich jedoch kritisch auf die Konjunktur auswirken.

Und wenn die Meinungsunterschiede innerhalb der Enquetekommission noch so stark sind: Zu Wochenbeginn hatten sich die konsensorientierten Wissenschaftler in der Kommission durchgesetzt. Mit einigen Monaten Verspätung sollen sie bis zum Jahresende Fischers und Kutters Ansichten mit einem gemeinsamen Verkehrsbericht doch noch zusammenbinden. „Schließlich haben wir nur mit unserem konsensorientierten Vorgehen die bisherige Breitenwirkung der Klima-Enquete erzielt“, so der Bonner Physiker und Kommissionsmitglied Klaus Heinloth. Nur wie?