Overkill auf Kampnagel

■ „Vom Stasi zum Aldi“ - Peter Grohmann bei „Summertime“

Spannung. Aufgeregtes Gemurmel im Saal. „Wer ist eigentlich dieser Peter Grohmann?“ Das schien am Sonntag beim Summertime-Festival auf Kampnagel die aktuelle Frage zu sein. Das Motto des Abends Vom Stasi zum Aldi stinkt ja geradezu nach Klischee, was also steht da noch zu erwarten? Das Gebrummel verstummt, als Grohmann, dem trojanischen Pferd gleich, mitten im Publikum sein in doppelter Hinsicht einmaliges Gastspiel in Hamburg beginnt.

„Das Leben ist ein Kabarett“, ruft der bunt gekleidete Mann in einem Ton, der auf Irrsinn schließen läßt. Er trägt zwei orange-farbene, eben süddeutsche, Aldi-Plastiktüten bei sich. Sollen die den roten Faden abgeben? In „Wechselbäder“ werde man bei ihm getunkt, wurde zuvor versprochen. Seine Show ist aber dieser biederen Formulierung weniger nahe als das „aufgeschlossene“ Publikum, das sich oft nur hinter vorgehaltener Hand zu lachen traut, wenn der Spaß mal derbe wird. Spaß, bei dem nicht mehr auszumachen ist, wo er beginnt und wo er aufhört.

Grohmann stößt tatsächlich in Gebiete vor, von deren Existenz bekannte „Scheibenwischer“-Langweiler nie zu sprechen wagen und die das Publikum verunsichern. „Die Polen wissen ganz genau, daß wir Deutschen ihnen Auschwitz nie verzeihen werden“, ruft er, und manche schämen sich für versehentlich herausgerutschtes Gelächter. Grohmann entfaltet ein Kaleidoskop der Gefühle, das bei einigen Rezipienten mulmige Folgen für Bauch und politisches Gewissen hat. Darf hier gelacht werden?

Ob altlinke Inhalte, formuliert in rechtem Jargon, oder ob er davon erzählt, wie er als 7jähriger das zerbombte Dresden erlebt - die unzähligen Rollen, in die der Ex-Stuttgarter schlüpft, sind doch zu viel für manche. Ebenso wie Grohmanns Kabarett. Jan-Christoph Wolter