Zwischen Miss Marple und Golden Girls

■ „Nevel in't Paradies“: Deutsche Erstaufführung auf Platt im Ohnsorg-Theater

Im Altenheim fühlen sie sich wie Goldhamster auf dem Laufrad. Als Frieda, Ottilie und Edith nach einer Bootsodyssee im Nebel Schutz in einem verlassenen Landhaus finden, kommen sie deshalb schnell auf die Idee, sich dort häuslich niederzulassen. So verlassen, wie es auf den ersten Blick erscheint, ist ihr neues Heim jedoch nicht. Ein australischer Gauner meldet Besitz an, um kurz darauf und unerwartet dahinzuscheiden. Ihr kleines Paradies aber wollen die rüstigen Alten nicht mehr hergeben, und so beschließen sie, die Leiche zu verstecken. Das allerdings ist gar nicht so einfach, da es in ihrer Bude plötzlich sehr lebhaft zugeht. In kurzer Zeit verstricken sich die Geschwister Niehusen, als die sie sich jetzt ausgeben, in ihren schnell gestrickten Geschichten.

Mit Nevel in't Paradies eröffnete das Ohnsorg-Theater am Sonntag die Spielzeit. Für die deutsche Erstaufführung des Stückes To soon for Daisies von William Dinner und William Morum wurde die Handlung in norddeutsche Gefilde zwischen Harburg und Stade verlegt. Mit Gerhard Hess führte dabei erstmals ein Schweizer im Ohnsorg Regie und trotzte erfolgreich möglichen Skeptikern, die einem Alpenländer die Einfühlung in ein plattdeutsches Stück nicht zutrauen. Die Mutmacherkomödie für Seniorinnen und Senioren läuft gemächlich an und erst im vierten und letzten Akt zu Hochspannung auf. Jedoch ist nur die Stückvorlage passagenweise langatmig. Die Rollen des Schwankes sind durchweg überzeugend besetzt. Die Hauptdarstellerinnen Ursula Hinrichs als Frieda, Wiebke Weggemann als Ottilie und Hilde Sicks als Edith spielen die quietschvergnügten Hausbesetzerinnen mit einem Charme irgendwo zwischen den zickigen Golden Girls und der bodenständigen Miss Marple. Einen besonderen Glanzpunkt setzt Willem Fricke in der Rolle des schrulligen Klempners Theo Polley. In klassischer Volkstheater-Manier überzieht er Bewegungen und Text — aber nie soweit, daß die Figur tump oder albern erscheint.

Nach etlichen Turbulenzen geht die Geschichte - wer hätte das gedacht - natürlich gut aus. Erfrischend zu sehen ist in Zeiten des Jugendkultes allerdings, wie hier die Alten der Welt ein Schnippchen schlagen.

Werner Hinzpeter