Lärm-Lizenz für Hamburgs Flughafen

■ Ein Gutachten präsentiert Vorschläge zur Fluglärm-Verminderung   Von Marco Carini

Seit Januar liegt es in den Schubladen der Wirtschaftsbehörde: Das Gutachten der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) zum Thema Lärmbelastung durch den Flughafen Fuhlsbüttel. Der 239seitige Bericht soll als Grundlage für ein norddeutsches Luftverkehrskonzept dienen, das die fünf nördlichsten Bundesländer bis zum kommenden Frühjahr entwickeln wollen. So lange gilt: Öffentliche Diskussion unerwünscht. Weder die Umweltbehörde noch der Fluglärmschutz-Beauftragte wurden bislang über die Gutachter-Ergebnisse informiert.

Die DLR geht davon aus, daß sich die Zahl der jährlichen Starts und Landungen in Fuhlsbüttel von heute gut 143.000 bis zum Jahr 2000 auf 174.000 erhöht. Um den Lärmanstieg in Grenzen zu halten, schlagen sie vor, Flugverbindungen auszudünnen und größere Maschinen einzusetzen, die mit weniger Flügen mehr Personen transportieren können. Durch eine bessere Verkehrsanbindung des Airports Hannover-Langenhagen an Hamburg und zusätzliche ICE-Züge ließe sich Reiseverkehr von Fuhlsbüttel wegverlagern.

Weitere Vorschläge der DLR-Forscher sind die Festlegung eines Lärmgrenzwertes (Lärmkontingent) und die Ausgabe von Lärmlizenzen: Eine Fluggesellschaft dürfte dann innerhalb eines bestimmten Zeitraums nur eine bestimmte Menge Lärm „emittieren“. Flugverbote für besonders laute Jets und lärmabhängige Flughafengebühren, die die Airportbenutzung für fliegende Krachmacher entscheidend verteuern, reichern den Vorschlagskatalog an.

Als mögliche Folgen solcher Maßnahmen erwarten die Gutachter eine Verschlechterung des Flugangebots, eine Verlagerung des Luftverkehrs auf die Straße und eine mögliche Absiedlung von Firmen aus Hamburg. Allerdings hänge „das Ausmaß der negativen Wirkungen entscheidend von der Art der gewählten Maßnahmen“ ab.

Auch Hamburgs Fluglärmschutzbeauftragter Hein Tunn beklagt den stetigen Anstieg der Flugbewegungen in Fuhlsbüttel: „Der Mensch braucht Lärmpausen“. Die heutige Gebührenordnung für Fuhlsbüttel bürde lauteren Maschinen zwar bereits höhere Abgaben auf, müsse aber weiter differenziert werden, um die Fluggesellschaften zu motivieren, auf sogenannte „Flüsterjets“ umzusteigen. Auch fordert Tunn, die Nachtflüge und die Postfrachttransporte für Mecklenburg-Vorpommern auf den Flughafen Parchim zu verlagern.

Auf den bei Schwerin gelegenen Airport will der SPD-Wirtschaftsfachmann Werner Dobritz vor allem die Luftfrachttransporte verlagern. Die CDU-Gebetsmühlen knarren hingegen nach Bekanntwerden des Forschungsberichtes erneut lautstark „Großflughafen Kaltenkirchen“. Eine Verlagerung des Frachtverkehrs nach Parchim hält der Unions-Verkehrsexperte Ole van Beust „für einen falschen Weg“. Viele der Frachtgüter seien „für den Hamburger Hafen bestimmt und müssen auf der Straße wieder nach Hamburg zurücktransportiert werden“. Van Beust: „Statt weniger Verkehr bekommt man so mehr“. Um den Fluglärm kurzfristig zu reduzieren, schlägt er stattdessen vor, „Teile des privaten Flugverkehrs auf kleinere Aiports im Umland zu verlagern“.

Der GAL-Bürgerschaftler Helmut Hildebrandt fordert hingegen: „Hannover-Langenhagen muß Fuhlsbüttel bei den Charterflügen entlasten“. Von den Gutachtervorschlägen favorisiert Hildebrandt die „drastische“ Begrenzung der Kurzstreckenflüge“ unter 500 Kilometern und eine Lärmlizenz. Sie wäre „ein echter Anreiz für die Fluggesellschaften, leisere Maschinen einzusetzen“. Im Vordergrund aber: die drastische Reduzierung der Flugbewegungen durch Verteuerung des Flugverkehrs.

Wieviele Flieger für Flughafen-Nachbarn zumutbar sind, das soll nach Ansicht der GAL ein lärmmedizinisches Gutachten entscheiden, das die Hamburger Bürgerinitiativen gegen Fluglärm (BIG) bereits seit zehn Jahren erfolglos fordern. BIG-Sprecher Hans Schwarz: „Würden alle Gutachter-Vorschläge konsequent umgesetzt, könnten viele Anwohner damit leben“.