„Für diese Arbeit hab' ich Kräfte“

■ Senator Scherf will Vorsitzender werden, wenn die Findungskommission ihn ruft

taz: Herr Scherf, Sie werden als neuer Landesvorsitzender der SPD genannt.

Dr. Henning Scherf, Senator für Justiz und Verfassung, für Bildung und Wissenschaft: Es gibt viele in der SPD, die sich und auch mich gefragt haben, ob ich der richtige Mensch sei, die gegenwärtige Lage, in der sich die SPD im Land Bremen befindet, zum Besseren zu wenden. Ich finde diese Ansprachen ermutigend. Ich habe aber noch niemandem zugesagt, ich habe immer nur gesagt: Es braucht jetzt eine Verständigung von vielen, und die läuft zur Zeit.

Sie haben Ihre letzte Kandidatur für das gleiche Amt vor wenigen Monaten zurückgezogen, als klar wurde, daß der Landesparteitag auf der Trennung von Parteiamt und Regierungsamt besteht.

Ich habe allen, die gefragt haben, gesagt: Das geht nur, wenn ich aus dem Senat ausscheide.

Wird jetzt die Erneuerung der Einigung der Partei erst einmal geopfert?

Wenn Sie den Eindruck haben, ist das Ihre Sache. Wenn Sie meine Meinung hören wollen: Wir müssen erst einmal wieder die Kraft zum Erneuern gewinnen. Wenn man sich so zerstritten und verletzt hat, wie wir uns das geleistet haben, kann man nicht einfach loslegen und sagen: Ab sofort wird erneuert. Wir müssen alle unsere Kräfte aufwenden, um überhaupt arbeitsfähig zu werden. Das ist der erste Schritt. Wenn wir das geschafft haben, dann möchte ich gerne mithelfen, daß wir uns auch wieder erneuern. Das ist eine mühselige Arbeit, und für diese Arbeit hab' ich Kräfte. Und wenn genügend Leute sagen, ich soll das machen, dann werde ich das tun.

Haben Sie nicht Angst, daß Sie dort verbrannt werden?

Das darf nicht mein Hauptproblem sein. Wenn es der Partei so schlecht geht, wie es ihr gegenwärtig geht, dann habe ich die Sorge einer persönlichen Beschädigung nicht. Es gibt hier keine Zeit für Larmoyanz, die finde ich

entsetzlich. Entweder wir arbeiten für diese große Arbeiterbewegung und diese große Partei, oder wir lassen es.

Personaldebatten zum Beispiel um den Bürgermeisterkandidaten 1995 müßten auch unter einem Landesvorsitzenden Scherf geführt werden. Wie wollen Sie verhindern, daß das so ausufert wie in den letzten Wochen?

Es gibt dafür kein Patentrezept. Am gräßlichsten haben uns die Grünen das vorgemacht. Die haben ihre gesamte Gründergeneration öffentlich umgebracht mit solcher Personaldiskussion. Aber auch bei der CDU und bei der FDP gibt es das. Man muß sich darauf einstellen, daß es immer wieder losgeht. Aber alle müssen wissen, wie gefährlich und riskant das ist, wenn es in einem solchen politischen Umfeld geschieht, wie wir es in Bremen derzeit haben. Da kann man sich nichts mehr leisten, insbesondere keine kränkenden Personaldebatten. Wer das trotzdem tut, muß damit rechnen, daß sich die übrige Organisation gegen ihn stellt. Ich will nicht drohen. Ich möchte alle einladen zum Mitarbeiten, aber das ist auch mit dieser Konsequenz verbunden. Wer dann partout nicht mitmachen will und geradezu neurotische Gelüste an selbstzerstörerischen Personaldebatten entwickelt, der muß spüren, daß die Organisation das nicht will und nicht erträgt.

Trotzdem steht 1994 die Bürgermeister-Debatte ins Haus.

Wir müssen die Bürgerschaftswahlen im Herbst 1995 vorbereiten, und das findet seit Jahrzehnten knapp ein Jahr vorher statt. Dann müssen wir uns verständigen über Programm, über Schwerpunkte, über eine Bürgerschaftsliste, und natürlich muß einer von uns vorne dran sein. Das weiß jeder, und das weiß auch Klaus Wedemeier, und ich bin zuversichtlich, daß ich das mit ihm richtig freundschaftlich und friedlich lösen kann. Ich bin kein Kandidat, der hier angetreten ist, um das Verletzen des Spitzenkandidaten fortzusetzen.

Fragen: mad/Foto: T.V.