Das „Soweto“ Israels

■ Gaza ist wirtschaftlich unterentwickelt, Jericho nur eine Durchgangsstation

Jericho, die vermutlich älteste befestigte Stadt der Welt, macht heute einen eher heruntergekommenen Eindruck. Rund 30.000 Palästinenser leben in der Kleinstadt und einigen umliegenden Flüchtlingslagern. Die Trümmer der antiken Stadt liegen außerhalb des heutigen Siedlungsgebietes. Für die über eine Million Palästinenser, die auf der 1967 von Israel besetzten Westbank und im annektierten Ostteil Jerusalems leben, hat Jericho nur als Durchgangsstation Bedeutung: Das um eine Oase gebaute, eher verschlafene Wüstenstädtchen liegt an der Straße zwischen Jerusalem und der Allenby-Brücke, der einzigen Verbindung zwischen der Westbank und Jordanien.

Anders als in den „Metropolen“ der Westbank Ramallah, Hebron und Nablus kam es in Jericho im Rahmen der „Intifada“ kaum zu spektakulären Ereignissen. Das mag auch daran liegen, daß für die Bewohner Jerichos die israelische Besatzungsmacht nicht so allgegenwärtig ist, denn in der näheren Umgebung existieren keine israelische Siedlungen.

Der Gaza-Streifen, den die Israelis 1967 von den Ägyptern eroberten, bildete dagegen im Dezember 1987 die Keimzelle des palästinensischen Aufstandes. 850.000 Palästinenser leben auf dem nur 35 Kilometer langen und zwischen 6,5 und 14,5 Kilometer breiten Streifen. Hinzu kommen knapp 6.000 israelische Siedler. Das Gebiet gehört damit zu den am dichtesten besiedelten Regionen der Welt. Hauptfinanzquelle des auch „israelisches Soweto“ genannten Gebietes bilden die Einkommen palästinensischer Pendler, die im israelischen Kernland arbeiten. Der Streifen hat keine Rohstoffe und nur eine rudimentär entwickelte Industrie. Für einen zukünftigen palästinensischen Staat wäre nur der Mittelmeerhafen von Gaza-Stadt von Bedeutung.

Die israelischen Besatzer machten wiederholt deutlich, daß sie den Streifen mitsamt seinen zum Gutteil in Flüchtlingslagern eingepferchten Bewohnern am liebsten wieder loswürden. Nur wollte niemand das Gebiet so richtig haben. Ägypten erhebt keine Ansprüche, und die PLO hat unter den dortigen Palästinensern mehr Feinde als Freunde; der Gaza-Streifen ist mittlerweile die Hochburg der islamistischen Hamas-Bewegung. Der israelische Premierminister Rabin erklärte einmal, er träume davon, eines Tages zu erwachen und das Meer habe den Streifen verschluckt. Khalil Abied