„Kein höheres Wesen“

■ Ruhe um designierte SPD-Vorsitzende Tine Wischer

„Wir können froh sein, daß das überhaupt jemand macht. Ich bin sehr erleichtert. Tine Wischer hat eine ausgewiesen hohe Integrationsfähigkeit.“ Vom Aufatmen des SPD-Landesvorständlers Thomas von der Vring bis zum Jubelgesang des UB-Nord- Chefs Detmar Leo — Christine Wischer, frischgebackene Kandidatin für den Landesvorsitz der SPD, wird getragen von einer Welle der Sympathie und Unterstützung aus den Reihen der in den letzten Wochen so arg zerstrittenen Bremer SozialdemokratInnen.

Nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen ist Ruhe eingekehrt bei der SPD. Die Nominierung Tine Wischers sei ein Signal, daß wieder an Sachfragen und weniger über das Personal diskutiert werden solle. „Jetzt müssen sich alle am Riemen reißen“, meint eine Sozialdemokratin. „Die Stimmung ist: wehe, da wagt sich einer vor.“ Daß Bildungssenator Henning Scherf bei der KandidatInnenkür abgeblitzt sei, das habe kaum jemanden gewundert, viel eher, daß er sich so schnell und allein vorgewagt habe.

Die Sozialdemokraten müßten sich wieder auf die kleinen Schritte besinnen, sagte Thomas von der Vring. Die Landesvorsitzende solle ihren Job machen und sei nicht dafür da, Jubelstürme auszulösen. „Die SPD muß zuerst lernen: Es rettet uns kein höheres Wesen.“

Fähigkeit zur Sacharbeit und Integrationskraft — viel Vorschußlorbeeren gibt es für die mutmaßlichen neue Vorsitzende: „Sie hat den Unterbezirk gut gesteuert, und da sind ja auch zielmich unterschiedliche Temperamente“, sagt ihre Fraktionskollegin Elke Steinhöfel. „Auch wenn so ein Haufen wie der Landesvorstand ganz anders ist.“ „Sie wirds nicht leicht haben“, prognostizierte Ilse Janz, die als Landesvorsitzende nach der verlorenen Bürgerschaftswahl zurückgetreten war. „Sie steht vor allem für Sachpolitik und die Aufarbeitugn der Wahlniederlage. Und das ist bislang nicht geleistet worden.“

Die einzige, die sich bisher nicht zur Kandidatin Tine Wischer äußern will, ist Tine Wischer selber. „Ich finde nach diesem etwas ungewöhnlichen Verfahren hat jetzt erstmal mein eigener Unterbezirk das Recht auf Information“, erklärte sie gestern und vertagte damit alle Interview-Wünsche auf nächste Woche. Jochen Grabler