Mercedes klauen „ist so leicht“

■ Drei nagelneue Autos aus dem Daimler-Werk gemopst und am Ende doch reingefallen

„Ich bin nur drauf gekommen, weil es so leicht war.“ So ganz genau konnte Ralf W. das auch nicht mehr erklären, warum er drei niegelnagelneue Mercedes vom Bremer Werksgelände gefahren hatte — ohne zu bezahlen. Ein bißchen sieht W. aus, als könnte er kein Wässerchen trüben, trotz der Vorwürfe. Gelegenheit macht eben Diebe.

Es war gammelig im Oberstübchen von Ralf W. Damit fing alles an. W. wollte einen eigenen Hausstand gründen. Der KFZ- Schlosser verdiente gut, bei Daimler fuhr er Sportwagen ein, und mit Mitte zwanzig ist es an der Zeit. Da ergab sich die Gelegenheit, das Dachgeschoß des elterlichen Hauses auszubauen. Gesagt, getan, ein Kredit von 80.000 Mark wurde beschafft. Aber wie's auf dem Bau so zugeht: Kaum angefangen, schon ist das Geld alle. Beim ersten Hammerschlag stellte W. fest, daß alle Dachbalken verrottet waren — Mehrkosten von 30.000 Mark.

Die Eltern angehen, das kam nicht in Frage, die Bank um eine Aufstockung des Kredits zu bitten — „da hätte man ja nochmal zum Notar gehen müssen, was das kostet!“ Also blieb nur eine Trennung. W. stellte sich mit seinem alten aber todschick tiefergelegten Daimler auf den Automarkt und wollte 12.000 Mark haben. Hat sich noch nichtmal einer interessiert, bis auf einen Polen und der hatte eine Idee: 3.000 Mark für das Auto ohne Papiere. W. sollte einen Zweitschlüssel besorgen, der Pole würde bezahlen und dann den Wagen „abholen“. W. müßte dann nur noch Polizei und Versicherung informieren und schon hätte er sein Geld beisammen. So wurde es gemacht. Am Ende hatte W. 12.700 Mark auf dem Konto.

Das reichte nur nicht, und so kam er auf den Dreh mit den Autos vom Werk. So ein großer Parkplatz: „Die stehen da reihen

„Die stehen da reihenweise rum...“Foto: Wolfram Steinberg

weise rum, mit Schlüssel drin.“ In der Mittagspause hatte W. beobachtet, daß Autos mit der gelben Plakette durchgewunken wurden. Die Plakette gabs für die Fremdfirmen-Autos, und aus so einem griff sich W. eine Plakette. „Die haben das gar nicht gemerkt.“

In der Zeitung las W. ein Angebot: Ein fast neuer Mercedes, leider ein Unfallwagen, für 6.500 Mark bei einem Händler aus dem Frankfurter Raum. W. griff zu, lief mit den Papieren zur Zulassungsstelle, packte die Nummernschilder zu seinen Frühstücksstullen und nahm sie mit ins Werk. Und weil er Einfahrer war, konnte er ungehindert über den Parkplatz schlendern und sich das Modell aussuchen, das am besten zu den Papieren paßte. Er schraubte die Schilder an, pappte die gelbe Plakette hinter die Windschutzscheibe und fuhr gemütlich durchs Tor. Zuhause entfernte er die Fahrgestellnummer und schweißte die des Schrottautos bei dem Neuwagen an und stellte sich mit dem tipptopp neuen Auto auf den Automarkt. Ein Pole zahlte 30.000 Mark.

Jetzt hatte zwar W. das Geld für seinen Umbau, aber kein Auto mehr. Und weils so einfach gegangen war, spielte er dieselbe Nummer ein paar Monate später nochmal. Ein Schrottauto vom Frankfurter Händler, Anmeldung, mit den Schildern ins

hier bitte der

Mercedes-Parkplatz

Werk, gelbe Plakette, auf Wiedersehen. Nur paßten diesmal die Papiere nicht so ganz zum Modell. Also kaufte er zwei Monate später nochmal eine passendere Schrottkiste und frisierte mit deren Fahrgestellplakette den schon einmal umgemodelten Wagen ein zweites Mal um.

Nun hatte er aber noch einen Satz Papiere und Fahrgestellnummern übrig. Was macht man da bloß? Ganz einfach: Nummernschilder, Plakette und so weiter. Und diesen dritten Wagen versuchte W. dann loszuschlagen. Aber das haute schon nicht mehr hin. Irgendwann stand die Kripo vor der Tür. Daß neue Autos fehlten, das war schon aufgefallen. An der Grenze war ein Pole mit einem neuen Mercedes

festgehalten worde. Der Wagen war beschlagnahmt worden, Vorbesitzer: Ralf W. Und der, das sagte der Computer, meldete auffällig häufig Mercedes-PKW auf seinen Namen an.

Dumm gelaufen, besonders für den Polen, der nun weder ein Auto noch 30.000 Mark hat. Ralf W. verlor seinen Job, machte aber bald darauf eine kleine Reinigungsfirma auf. Und er gestand alles, sogar den Versicherungsbetrug, nach dem niemand gefragt hatte. Das half beim Strafmaß: Ein Jahr und zwei Monate auf drei Jahre Bewährung und ermahnende Worte des Richters, das war das Urteil. Und die Straffälligenbetreuung darf sich freuen auf 15.000 Mark in 500er Raten. Jochen Grabler