Postwendend mit Stier

■ Gedok-Künstlerinnen präsentieren ihr europäisches Kunstprojekt "PROGRESS" in der Städtischen Galerie

Zeitsprung in den September 1989: Noch steht die deutsch- deutsche Mauer. Und in Europa wird die Freizügigkeit diskutiert und diskutiert. Da schreiten vier Bremer Künstlerinnen zur europäischen Tat. Auf ihre Art, mit nichts als einer Idee im Kopf und Adressen von europäischen KünstlerfreundInnen im Notizbuch. Und natürlich mit Farbe, die kommt in schwarz, weiß und europa-blau auf's Papier, das so hoch ist wie ein kleiner Mensch und drei Meter lang.

Heute ist das Werkprojekt, das die Gedok-Künstlerinnen Irmgard Dahms, Marikke Heinz-Hoek, Christine Meise und Edeltraut Rath vor vier Jahren initiierten, in der Städtischen Galerie zu sehen — wie damals bereits versprochen, obwohl doch niemand wußte, ob aus der ungewöhnlichen Idee je ausstellungswürdige Resultate entstehen würden.

Neugier hieß die Energie, die in die Unternehmung „IN PROGRESS“ floss. Würden die Bilder, von vier Bremerinnen begonnen und unfertig per Post verschickt, von KollegInnen in Spanien, England, Lettland oder Tschechien beendet? Und wenn ja, wie? Was würde eine norwegische Gruppe aus dem Linienensemble in schwarz-blau und weiß machen? Und wer hätte geahnt, daß die EngländerInnen dem Kunstwerk mit der Schere zu Leibe rückten?

Für dieses Experiment verzichteten die Bremerinnen auf Eitelkeiten. Und erlebten, was sonst nicht zu den Alltagserfahrungen eines Künstlerinnenlebens gehört: von anderen übermalt zu werden, mit Stier oder Kreuz. Das war nicht immer einfach, und eigenartig war's, wenn sie die ursprüngliche Handschrift des Bildes kaum mehr erkennen konnten, als es zurück kam.

Immerhin beteiligten sich über hundert KünstlerInnen. Ihre Bildantworten hängen nun, noch von den Knitterfalten des Umschlagformates gezeichnet, an den Galeriewänden, als wäre der Raum dafür gemacht: Zwischen zehn großen Werken läuft ein Band von Einzelarbeiten wie ein schöner Fries an der Wand und wie ein weiterer, neugieriger Aufruf. Zum Projektionstest diesmal: Woher stammt das Bild, in welchem Land wurde es beendet? Gibt es Indizien für nationale Malerei? Probieren Sie, zu sehen, was Sie ohnehin denken. Und glauben Sie Marikke Heinz-Hoek: „Das Kreuz im polnischen Bild ist Zufall. Reiner Zufall.“ ede

Eröffnung Samstag, 19 Uhr, Buntentorsteinweg 112. Mit einer Performance des Norwegers Mogens Otto Nielsen. Es spielen anschließend: Die Mädchen.