Elephant meets Taube

Das „Ballet Contemporani de Barcelona“ mit „Frida“ im Theater am Halleschen Ufer  ■ Von Michaela Schlagenwerth

„Meine Malerei übermittelt Nachrichten vom Schmerz“, schrieb Frida Kahlo über ihre Bilder. Mit sechs Jahren Kinderlähmung, mit 18 bei einem Straßenbahnunfall von einer Haltestange durchbohrt: Frida Kahlo ist nicht nur bekannt durch ihre Malerei, sondern auch durch ihre ungeheuren physischen Leiden. Ein verletzter Körper, dem sie bis zu ihrem Tod 1954 ein abenteuerliches Leben abgetrotzt hat.

Gleich zwei Choreographen haben sich im letzten Jahr ihrer Lebensgeschichte zugewandt: Hans Kresnik in Bremen und Amelia Boluda in Barcelona (Premiere in Costa Rica). Kresniks grandioses Werk war letztes Jahr zum Berliner Theatertreffen eingeladen; Amelia Boluda und das „Ballet Contemporani de Bracelona“ sind jetzt mit „Frida“ für drei Tage im Theater am Halleschen Ufer zu sehen.

Zwei Fridas gibt es bei Amelia Boluda und zwei Diegos; zwei Täzerinnen und zwei Tänzer bohemehaft in weite, weiße Anzüge gekleidet, mit Galoschen über den Schuhen. Mit dem Maler Diego Rivera, ihrer leidenschaftlichen und verzweifelten Liebe (von dem sie unter anderem mit ihrer eigenen Schwester betrogen wurde), war Frida Kahlo mehrmals verheiratet. „Ein Elephant, der eine Taube heiratete“, charakterisierte Fridas Vater das Paar. Bei Amelia Boluda wird der Spieß umgedreht: Nicht Frida, sondern Diego muß an seiner lebenslustigen und untreuen Frau leiden. Derweil Frida zärtlich mit Diego über die Bühne tanzt, erscheint ein zweiter, fremder Mann, dem sie sich in die Arme wirft. Diego steht verzweifelt in der Ecke und muß zuschauen. Ein Bild, das die Mär vom armen Weib und dem bösen Mann zurechtrücken will – auch Frida Kahlo war untreu: Aber so ist es wohl doch zu einfach.

Zu den Schmerzen der Frida Kahlo, den physischen als auch den psychischen, findet Amelia Boluda keinen Zugang. Sie will die lebenslustige und starke Seite der Malerin zeigen, die selbstverliebte und lebenshungrige. Ab und an wird mit einem Rollstuhl, dem man auch jederzeit entsteigen und den man zusammenklappen kann, über die Bühne gefahren: Der Stilisierung zur Schmerz-Ikone wird mit Verharmlosung begegnet. Was bleibt, ist das Geplänkel eines beliebigen Paares. Es mangelt an besonderem Bewegungsvokabular ebenso wie an szenischer Dichte – unverständlich auch, warum sie im Programmheft des Theaters am Halleschen Ufer als eine der „wichtigsten Beiträge des spanischen zeitgenössischen Tanzes“ gepriesen wird. Nach dem Motto, sie ist so schlecht, daß man vor keiner Übertreibung mehr zurückschrecken muß?

Zwar ist Spanien fern, aber daß der zeitgenössische Tanz dort nicht am Boden liegt, haben die Gastspiele anderer spanischer Gruppen (allen voran Gesc Gelabert) oft genug vorgeführt. Spannend an diesem Abend ist allein die Musik von Xavier Maristany, der in seinem Versuch, die Figur Frida Kahlo zu „musikalisieren“ vor allem mit Blasinstrumenten arbeitete, mit zirkushafter Volksmusik und melancholischen Saxophonklängen. Innerhalb von fünf Tagen wurde mit einem in Berlin zusammengesammelten neunköpfigen Orchester (ursprünglich waren 18 Musiker geplant) unter Leitung Maristanys die Musik einstudiert, und das war zweifellos eine Leistung.

„Frida“ – Ballet Contemporani de Barcelona: Noch heute um 20 Uhr im Theater am Halleschen Ufer