Neuer Kredit für den Grünen Punkt

■ Duales System gerettet / 900 Millionen Schulden jetzt Darlehen / Mehr Einfluß für Müllkutscher

Bonn (taz) – Die großen Müllkutscher der Republik gewähren dem Dualen System einen Kredit von 640 Millionen Mark und haben damit den Grünen Punkt gestern vorläufig gerettet. Sie einigten sich gestern mit Spitzenvertretern von Handel, Industrie, den kommunalen Spitzenverbänden und der Geschäftsführung des Dualen Systems Deutschland (DSD) auf eine Sanierung des angeschlagenen Unternehmens. Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) hatte die vierstündigen Verhandlungen moderiert und stellte anschließend mit den Beteiligten ein „Neun-Punkte- Rettungskonzept“ für den Grünen Punkt vor. Bis Ende 1994 soll die Finanzierung des Systems gesichert sein, wenn der Plan umgesetzt wird.

Umsonst ist nichts auf der Welt: Die private Entsorgungswirtschaft wandelt ihre Forderungen an die DSD zwar „in verzinsliche Darlehen mit Rangrücktritt“ um. Aber sie verlangt dafür einen politischen Preis. Künftig will sie ein Drittel der Aufsichtsratsposten beim DSD besetzen und so die Geschäftspolitik des Monopolunternehmens beeinflussen – „mindestens“, so ihr Verbandspräsident Hellmut Trienekens.

Auch die kommunalen Müllkutscher sollen Forderungen in Höhe von 250 Millionen DM, die sie an das DSD haben, in Kredite umwandeln, sieht der Plan vor. Außerdem soll die Zahlungsmoral der Lizenzinhaber, die den Grünen Punkt auf ihre Verpackungen drucken, deutlich verbessert werden. Dazu werden nach dem Plan „Strafzuschläge“ für säumige Zahler eingeführt. Die bisherigen Gebührenrückstände, die dem DSD monatlich 50 Millionen Mark Schulden einbrachten, sollen nunmehr „zügig eingetrieben werden“. Unabhängige, von der DSD beauftragte Wirtschaftsprüfer prüfen künftig die Verträge. Wer als sogenannter „Trittbrettfahrer“, ohne zu zahlen, sein Produkt dennoch mit dem Grünen Punkt versieht, dem droht künftig Schadenersatzklage.

Die private Entsorgungswirtschaft, deren Hilfe nach Meinung von DSD-Chef Wolfram Brück „großer Dank gebühre“, sagte zu, „daß die Entsorgungskosten für die Bürger aus dem Dualen System bis Ende 1994 nicht steigen würden. Umweltminister Töpfer begrüßte es, daß nunmehr „ein Neuanfang für das Duale System möglich ist“. Schließlich habe sich das System „bewährt“, da es zur „Vermeidung von Abfall“ beitrage. Lediglich die „schwarzen Schafe“, so Minister Töpfer, müßten „beseitigt werden“.

Dagegen entschuldigte DSD-Chef Brück das Fiasko um den Grünen Punkt mit der „Hektik“ der Einführung. Seiner Ansicht nach habe der „Zeitdruck der letzten Jahre zu Fehlern geführt“. Vertreter von BDI und DIHT wiesen Fragen nach der Glaubwürdigkeit der deutschen Industrie von sich: Das Duale System brauche eben eine Anlaufzeit, sei aber immer noch billiger als staatliche Maßnahmen.

Weitergehende Pläne bei großen Entsorgungsunternehmen, das System gleich ganz zu übernehmen, sind gestern noch einmal verschoben worden. Ein Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) hatte vor dem Kompromiß gesagt, daß man hoffentlich auf dem Weg zu einer solchen Übernahme einen großen Schritt vorankomme. hs/ten Seite 6