Tausche Jugend gegen Tennis

■ „Kein Wohlstandskind": Ein kleiner Russe will in Bremen eine große Karriere starten

Am Vormittag sind ihm noch drei Zähne gezogen worden, mittags steht er schon wieder auf dem Tennisplatz. Er hat Zahnschmerzen. Auch eine Erkältung hat ihn befallen, aber Alexander Markin, genannt Sascha, läßt sich nichts anmerken. Der elfjährige Knirps aus Moskau schmerttert die Bälle über's Netz. Sein Trainer Zoltan Ilin bemerkt das dumpfe, unterdrückte Husten. Ilin hat sie alle gewarnt, die Eltern und auch den manager, aber niemand mag so recht auf den erfahrenen Trainer hören. Als Sascha vor drei Monaten in seinen Ferien zu seinem ersten Turnier nach Bremen kam, war er ein unbeschriebenes Tennis-Blatt. Seitdem ist er von Turnier zu Turnier und von Sieg zu Sieg geeilt. Das Tennis-Talent hat bundesweit innerhalb kürzester Zeit sieben Pokale abgestaubt und sich in die Ranglist der Altersklasse vier gespielt. Es ist nur eine Zeitfrage, wenn er die Nummer eins wird. Sascha ist Tennisprofi und trainiert dafür mehr als drei Stunden täglich.

In Bremen und Umgebung gibt es schon keine gleichaltrigen Gegner mehr. Der Moskauer Stadtmeister Alexander Markin fegt sie alle vom Platz. Als der tennisbegeisterte Bremer Henning Erlewein den Jungen zum erstenmal siegen sah, wurde ihm ganz warm ums Herz. Er und sein Partner Gero Ritter schlossen Sascha in's Herz und handelten gleich mit seinen Eltern einen Vertrag aus.

Über 7.000 Mark investieren

Husten bis in Wimbledon die Kasse klingelt: Tenniskind SaschaFoto: Björn Hake

die beiden monatlich in das Tennis-Kind Wohnung, Unterhalt für die Familie Markin sowie tägliches Training, Turnierkosten und Ausrüstung für Sascha gehören dazu. Wir machen das aus Liebe, Freundschaft und Idealismus“, betont der Manager Erlewein, ist sich aber sicher, daß Sascha in fünf oder sechs Jahren in Wimbledon auflaufen wird. Sobald die ersten Preisgelder locken, wird es in den Beuteln der beiden Bremer kräftig klingeln. Einen Anteil von weit über 30 Prozent haben sie sich gesichert. Bis dahin

aber übernehmen sie sämtliche Kosten.

Auch die Eltern Markin profitieren von ihrem Sohn. In Moskau wird das Leben für sie immer härter. Nicht nur, daß die Versorgung schwerfällt, auch die Trainingsbedingungen sind miserabel. Sie alle möchten so schnell wie möglich nach Bremen ziehen.

Erlewein und Co. haben auch ein reges Interesse daran, Sascha wieder unter ihre Fittiche zu nehmen und sie geben sich größte Mühe, einen Umzug zu organisieren. Vorerst allerding fahren

die Markins mit ihrem Sohn wieder zurück nach Moskau. Die Schulferien sind zuende.

Was passiert, wenn Sascha einmal gar keine Lust kehr auf Tennis hat? Erlewein: „Das ist momentan völlig auszuschließen, denn Alexander ist glücklicherweise kein Wohlstandskind, das allzuviele Freizeitmöglichkeiten und deswegen kein Durchhaltevermögen erlernt hat.“ Da lobt er sich einen, der sich quält. „Unsere Kinder geben viel zu schnell auf, wenn sie merken, da steht Druck dahinter!" Nicol Ljubic