Skins, die kein Wässerchen trüben

Im Prozeß gegen die mutmaßlichen Mörder von Mölln wird die rechtsradikale Szene befragt / Mit den Angeklagten will man nichts zu tun gehabt haben / Rühe soll als Zeuge aussagen  ■ Aus Schleswig B. Mika

Sie sind die reinsten Engel. Und kurze Haare tragen sie nur, damit der Heiligenschein besser sitzt. Beim Prozeß gegen die mutmaßlichen Attentäter von Mölln – Lars Christiansen und Michael Peters – waren am Mittwoch ZeugInnen aus der rechtsradikalen Szene geladen. Vor dem 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts in Schleswig traten sie auf wie Omas Strickkränzchen.

Doch zuvor mußten sich die Vertreter der Bundesanwaltschaft über Christian Ströbele ärgern. Am 26. Prozeßtag stellte der Nebenklägervertreter einen umfangreichen Beweisantrag und forderte Bundesverteidigungsminister Volker Rühe als Zeugen zu hören. Begründung: Als Generalsekretär der CDU habe Rühe 1991 eine Kampagne gegen den sogenannten „Asylmißbrauch“ entfacht und damit das politische Klima entscheidend geprägt. „Für eine Strafzumessung ist die sachkundige Aufklärung der gesellschaftlichen Situation, in der die Taten begangen wurden, von wesentlicher Bedeutung.“

Daß Oberstaatsanwalt Pflieger den Antrag „zutiefst bedauern“ und Ströbele vorwerfen würde, sein „politisches Süppchen zu kochen“, konnte jeder im Gerichtssaal voraussehen. Doch nicht die Peinlichkeit, die sich der Bundesanwalt dann leistete. Er bezeichnete den Brandanschlag als „Selbstjustiz“ der Attentäter, die der Staat nicht dulden könne. Soll das heißen, die Täter hätten exekutiert, was als Recht dem Staat vorbehalten bleiben müsse?

Auftritt der Zeugen. Stefan J. ist in Mölln und Umgebung unter dem Spitznamen „Wöbbel“ bekannt und gefürchtet. Ein Trumm von einem 28jährigen, dem die Worte so schwer über die Lippen kommen, als müßte er sie neu erfinden. Hört man sich in der Kleinstadt um, erfährt man, daß Wöbbel Anfang der 80er Jahre Möllns erster Skin war, daß er bald eine rechte Jungschar um sich versammelte, mit denen es zu Fußballspielen und Konzerten ging, daß er rechtsradikale Fanzines und Rundschreiben bezog. Ein Alt- Skin und uneingeschränkter Platzhirsch.

Doch vor Gericht sagt Wöbbel: „Bei uns hatte niemand das Sagen.“ Und: „Natürlich hatte man sich mal mit Ausländern in der Wolle.“ Und das Hitler-Bild, das bei ihm an der Wand hing, hat er von Oma geerbt. Keinen Satz gibt er freiwillig von sich, stockt, zögert, schweigt und wenn er zu sehr unter Druck gerät, wird er frech. Dann antwortet er dem Vertreter der Nebenklage: „Das geht Sie nichts an.“ Oder, gefragt nach dem Inhalt der Fanzines: „Ich frag Sie nach acht Jahren ja auch nicht, was in Grimms Märchen drin stand.“

Für Wöbbel gehörte der Angeklagte Christiansen nur lose zur Gruppe. Mitte '92, einige Monate vor dem Anschlag auf das von TürkInnen bewohnte Haus in Mölln, habe man sich endgültig verkracht. Das bestätigt ein weiterer Zeuge. Christiansen habe „Scheiß gebaut“, erzählt Michael Sch. Aber daß er dann durch einen Brandanschlag die Gunst der Kumpane wiedergewinnen wollte, könne er sich nicht nicht vorstellen.

Michael Sch. ist kein Platzhirsch und scheint trotzdem gefährlicher als Wöbbel. Einer, dessen Skin- Gesinnung sich längst zur soliden neonazistischen Haltung gewandelt hat, einer der mit Christiansen zwei Tage nach dem Attentat Witze über das Verbrechen riß, es sogar „geil“ fand. Seine politische Gesinnung glaubt er dem Gericht verschweigen zu können. Doch als ihm mit gesetzlichen Konsequenzen gedroht wird, gibt er kleinlaut aggressiv zu: Das 3. Reich wolle er schon wiederhaben, „aber anders, das mit den Juden nicht, das andere ja.“ Christiansen ist für den gelernten Fleischer „eine Weichwurst“, „nicht abgebrüht genug“.

Die rechte Möllner Szene um so mehr. Neben der Gruppe um Wöbbel gibt es noch eine zweite, zu der Christiansen Kontakt hatte. Christian Sch. und andere stehen zur Zeit vor dem Lübecker Landgericht. Im März 1993 haben sie das Flüchtlingswohnheim in Mölln mit Molotowcocktails angegriffen.

Der Prozeß wird fortgesetzt.