Grüner Kunstrasen mit Musik

■ Britta Lieberknechts neue Tanzproduktion im Freiraum-Theater

„Kunstrasen“ heißt das neue Stück von „Britta Lieberknecht & the Technicians“ — ganz ohne jede Anspielung auf rasende Kunst. Es geht wahrhaftig um grünes Fußmattenplastik, Kunstrasen eben, wie wir ihn aus dem Baumarkt kennen: ein Material, das uns schon schauern läßt beim bloßen Anblick auf seine fetten Nadeln. Vom garstigen Geräusch unter den Sohlen ganz zu schweigen — aber gerade darauf kommt es an.

Wie die Bassistin bisweilen ihr Instrument, werden die TänzerInnen nämlich den Boden streifen, streicheln, kratzen, schlagen — und dadurch die Klänge selbst herstellen, zu denen sie tanzen. Das ist nicht neu, denkt man hier zum Beispiel an Percussion — aber da irrt man gewaltig. Das ist Avantgarde. Das große Wort kommt leicht von Britta Lieberknechts Lippen und klingt dabei ganz schlicht — und ein bißchen froh, nach Befreiung von alten Mustern.

Aber das versteht nur, wer weiß, was unter dem Rasenteppich liegt: Da wimmelt es von elektronischen Rezeptoren, die jeden Schlag und jeden Tritt als elektronische Impulse in den Computer leiten und dort in bereits komponierte Geräusche umsetzen. Darin liegt für die Tänzerin „der Kick“: Wir richten uns nicht nach der Musik, sie richtet sich nach uns.

Die Erfahrung in der künstlichen Landschaft mit Stuhl und Spanplatten und mit Britta Lieberknecht, Veronique Rousseau, Reinhard Gerum und Willy Daum, wird begrenzt sein: Man gewinnt und verliert in jedem Kunstraum. Eine künstliche Natur kann sich nur selbst reflektieren, so wie der Computer nur das Denkvermögen von Menschen widergibt — und so kommen die Töne direkt und nur aus dem Bühnenbild.

So etwas zu installieren, war für die Lieberknecht'sche eine Herausforderung. Nicht nur, weil die vier sich hier die Musik ertanzen, anstatt nach Musik zu tanzen. Sondern auch, weil es solch tänzerische Auseinandersetzung mit künstlicher Natur aktueller nicht gibt: Wir haben ursprüngliche Kommunikationsformen wie zum Beispiel Tanz, Gesang und Trommeln verloren — und stellen sie jetzt wieder über Elektronik her. Das ist so im gewöhnlichen Alltag — und nun auch auf der Bühne des Freiraum-Theaters in der Grundstrasse.

Was der Zuschauer sieht, hängt von ihm selbst ab. Es wird keine Geschichte geben, sondern eine kompositorische Entwicklung. Ein episches Stück, sehr funktional einerseits, aber auch poetisch.“

ede

Premiere: heute abend, 20.30 Uhr. Weitere Vorstellungen am Samstag und Sonntag um die gleiche Zeit