Getanztes Hundedasein

■ Die „Second Hand Dance Company“ wirbelt und schwebt durchs Tempodrom

Ein Glatzköpfiger, ein Langhaariger und einer mit erstaunlich gewöhnlicher Haartracht tauschen den Kurzbiographien zufolge des öfteren ihre Hitchhiking-Stories aus. Ihre weltumspannenden Reisen führten durch Amerika – auch die Route 1 runter –, durch Japan und durch China. Einer fischte einst in Alaska, der andere spielte in Kung-Fu-Filmen mit und ist nebenher Wildwest-Stunt-Reiter.

Man kann sich vorstellen, daß ihre Geschichten allesamt von den Schwierigkeiten des Fortkommens handeln, von Mal zu Mal dramatischer aufpoliert. Vielleicht liegt hierin der wahre Grund für die seltsamen Fortbewegungsmethoden, die die drei New Yorker auf der Bühne entwickelt haben. Die „Second Hand Dance Company“ bewegt sich meist mit maximalem Körperkontakt untereinander, aber minimalem Bodenkontakt zum Bühnenboden durchs Tempodrom. Die technisch ausgetüftelten Platzwechsel verwirren das staunend hinblinzelnde Auge ein ums andere Mal. Die drei Tänzer sind Akrobaten mit höchster Körperbeherrschung: „pural architecture“ nennt es die Ansagerin, und man möchte im ersten Moment den Statiker zu Hilfe rufen angesichts der jeder Gleichgewichtslogik und Kräfteprognose widersprechenden Positionen der drei Tänzer. Erstaunlicherweise jedoch funktionieren die Figuren: der rücklings auf dem Boden Liegende trägt seine Kollegen auf Händen und Füßen, ein andermal sitzt der eine auf den Schultern, der dritte hängt auch noch irgendwie daran – ein menschliches Windrad beginnt sich zu drehen.

Doch es ist keineswegs nur Kräftemeierei, was die Darbietung der Second Hand Dance Company ausmacht. Mit kleinen, charmanten Handbewegungen, Blicken oder Inszenierungen, beispielsweise mit dem getanzten Hundedasein, bringen die drei Amerikaner einen Oberton der Leichtigkeit ins Programm. Auch verbindet ihre pural architecture ganz postmodern Elemente der verschiedensten Tanzstile und Sportarten: Geisha-Handbewegungen und rechtwinklig abgespreizte Beine erinnern an indische Tänze, manche Körperverknotungen sind dem Judo entlehnt, aus dem Kung-Fu kommen offensichtlich die Geräusche, die die drei ironisch rhythmisiert von sich geben. Selbst das klassische Ballett wird – mit extremer Bodenverhaftung – auf die leichte Schulter genommen. Die Second-Hand-Tänzer sind nämlich nicht nur geniale Sportler mit viel Kraft und Phantasie für unendlich viele und komplizierte Figuren, sie haben auch Witz. Sie blödeln mit Bällen, die nach dem Klettverschluß-Prinzip an ihren Kappen haften bleiben; sie binden sich für eine Schuhplattlerpersiflage Pfannen um den Hintern und Holzklöppel um die Fersen. Und wie das funktioniert, sollte man sich am besten selbst anschauen. Petra Brändle

„The Second Hand Dance Company“: bis zum 19. September, Mi.–So. um 20 Uhr im Tempodrom, John-Foster-Dulles-Allee