Mit dem Instinkt eines Trüffelschweins

■ Die Kanzlei-Affäre gefährdet Gauweilers politisches Überleben

München (taz) – „Die Dinge sind ein wenig ins Trudeln geraten und drohen zu entgleiten“, sagt Peter Gauweiler – über die SPD, natürlich. Auf der Pressekonferenz stiert er oft in die Luft und rückt sich die Hosenträger zurecht. Die Affäre um die Münchner Anwaltskanzlei Nörr, Stiefenhofer und Lutz hat sich für den 44jährigen Juristen in einen Bumerang verwandelt. Erst brachte ihm die Verpachtung seines Mandantenstamms an die Sozietät jahrelang monatlich 10.000 Mark, nun kann sie ihn die politische Karriere kosten.

Im März 1991 soll der frischgebackene bayerische Umweltminister Gauweiler im Aufsichtsrat der „Gesellschaft für die Beseitigung von Sondermüll“ dafür gestimmt haben, daß an die Kanzlei ein Mandat erging – gegen den Protest des Finanzministeriums, denn das Stundenhonorar der Anwälte sollte 700 Mark betragen. Da werden in der CSU böse Erinnerungen an Amigo Streibl wach.

Ministerpräsident Edmund Stoiber beauftragte flugs einen ehemaligen bayerischen Verfassungsrichter, Gauweilers Geschäftsgebaren zu überprüfen. Ein von Stoiber angeordneter Bericht des Finanzministeriums stellte am Dienstag fest: Nörr und Co. seien bei Aufträgen von Unternehmen mit staatlicher Beteiligung nicht „auffällig und überproportional“ berücksichtigt worden. Seit Gauweilers Amtsantritt gingen jedoch mindestens zwölf Aufträge an die Kanzlei. Ausführlichere Untersuchungen der Mandatsvergabe sollen wegen des „unvertretbaren Verwaltungsaufwandes“ unterbleiben. Jurist Stoiber baut auf eine Gesetzeslücke: In bayerischen Gemeinderäten darf nicht abstimmen, wer in einer Angelegenheit geschäftliche Interessen hat – aber im Ministergesetz gab es einen entsprechenden Passus bis zu dieser Woche noch nicht. Nach dem Motto „Kein Vergehen ohne Gesetz“ soll Gauweiler davonkommen. Nach Ansicht der bayerischen SPD-Vorsitzenden Renate Schmidt braucht es jedoch keine Bestimmungen, um den Amtsmißbrauch des Ministers zu erkennen. „Das sieht jeder moralisch anständige Mensch.“

Selbst CSU-Vorstandsmitglieder sehen die Verquickung von Amts- und Privatgeschäften als gegeben an. Und selbst CSU-Chef Theo Waigel ist dem „ehrgeizigen Bayern mit dem Instinkt eines Trüffelschweins“ (Stern) nicht allzu wohl gesinnt. Henrike Thomsen