Schlammschlacht rund ums Rathaus

In Bayerns Metropole hat während des Wahlkampfes nur das Preisniveau Weltklasse / Wahlergebnis am kommenden Sonntag wird richtungsweisend für das Wahljahr 1994  ■ Aus München Henrike Thomsen

München (taz) – Durch den Sucher einer japanischen Kleinbildkamera betrachtet, schaut das Münchener Rathaus propper aus. Vor jedem Fenster blüht es rot und geordnet. Pünktlich zur vollen Stunde vollführen die Figuren des Glockenspiels ihren Reigen. Am Sonntag wählt die „Weltstadt mit Herz“ einen neuen Oberbürgermeister.

Im Endspurt ist das Wahlkampfniveau auf Stallebene angelangt. „Der ist der Jagd nicht gewachsen, auf die ihn sein Hundetrainer Kronawitter gehetzt hat“, tönt CSU-Kandidat Peter Gauweiler über seinen sozialdemokratischen Gegenspieler Christian Ude. Der vergleicht seinerseits Gauweiler mit einem Alkoholiker, Münchens ehemaliger Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD) nennt den 44jährigen bayerischen Umweltminister einen „Spruchbeutel“. Und Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) vergleicht Kronawitter wiederum mit Rep-Chef Franz Schönhuber. Da dreht sich der Reigen, wie wir ihn kennen und lieben.

Die Wahl am Sonntag hat nach Ansicht der bayerischen SPD- Chefin Renate Schmidt Anspruch, eine Richtungsentscheidung zu sein. Im kommenden Jahr wird auch über die Zusammensetzung der Parlamente in Bonn und München neu entschieden. „Es geht darum, ob sich die politischen Koordinaten noch weiter nach rechts verschieben.“ Genau das, konservativer zu sein als die Münchner Genossen, fiel der CSU gar nicht so leicht. Kronawitter war einer der ersten, der im Asylstreit eine Grundgesetzänderung empfahl. Die rotgrüne Stadtregierung überließ das für die Genehmigung von Demonstrationen zuständige Kreisverwaltungsreferat der CSU und hält an der Sperrstunde fest.

SPD-Kandidat Ude applaudiert verschärften Polizei-Razzien. CSU-Kandidat Gauweiler, der sich als Staatssekretär unter Strauß mit einer beispiellosen Diskriminierung von HIV-Positiven einen Namen machte, will „Schwarze Sheriffs“ in jeder U-Bahn-Station. Um ihre Argumente zu stärken, warf die CSU sogar der Polizei vor, ihre Statistiken zu schönen. Diese reagierte sauer: „Armut, Sucht und auch Nichtwaschen sind kein Strafbestand.“

Ude, der sein Lächeln einschaltet wie einen Scheinwerfer, hatte dem dramatischen Talent seines Gegenspielers wenig entgegenzusetzen. Kronawitter half: „Leichter geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als daß der Spezi Gauweiler mein Nachfolger wird.“ Und schon war die Schlammschlacht im Gange, an der sich alle, auch wenn sie sie noch so laut verurteilen, genüßlich beteiligen.

Nach dem „Sicherheits-Wahlkampf“ folgte der „Affären-Wahlkampf“. Gauweiler geriet in die Defensive, und auch Ude muß sich gegen Vorwürfe verteidigen, er habe 1984 als Anwalt der Stadt einen Prozeß unnötig ausgedehnt. Die CSU stürzte sich auf das Thema, aber der Schuß könnte mal wieder nach hinten losgehen: Im „Bauland-Prozeß“ ging es um ein städtisches Grundstück, das der damalige CSU-OB Erich Kiesl weit unter Wert an einen Spezi verkaufte. Kiesl verlor damals aufgrund des Skandals den Wahlkampf gegen Kronawitter.