„Schwoa ma's obe!“

■ Wie die CSU am Sonntag abend die Münchner OB-Wahl verlor

München (taz) – „Da kann sich noch alles ändern. Alles ändern kann sich da noch“, beschwört ein CSU-Stadtrat die Monitore im Kreisverwaltungsreferat, wo die Wahlleitung saß. Doch die wollen nicht hören und spucken unbeirrt Zahlen zugunsten der SPD aus.

Hoffnung keimt auf, als die Auszählung der Briefwähler beginnt: 57 Prozent für Gauweiler, wenn das nichts ist, da wird er sich noch umgucken, der Herr Ude! Aber ach, an der sich anbahnenden Niederlage kann niemand vorbeisehen. So um den 800. von 992 auszuzählenden Wahlkreisen herum verheddern sich die Mannen vom Privatsender TV Weiß- Blau, dessen redaktioneller Teil von Gauweiler-Spots kaum zu unterscheiden war, zusehends in ihren Kabeln. Die CSU-Größen vor Ort, die sich zu keiner Prognose herablassen wollten, möchten nun am liebsten auch keinen Kommentar abgeben. Hausherr Peter Uhl enteilt in den Salvator-Keller zur Wahlkampfparty seiner Partei.

Dort erklärt der gescheiterte Peter Gauweiler: „Fallen ist keine Schande, nur liegenbleiben.“ Der Mann liebt Hemingways Helden, die in der Niederlage zu großer Form auflaufen. In diesem Moment hat Gauweiler allerdings keine Statur. Er steht auf der Bühne, eine Luftaufnahme des Münchener Rathauses im Rücken, wie ein Schüler, der fürs Schwätzen in die Ecke gestellt werden soll. Ministerpräsident Stoiber fuchtelt gewohnt energisch in Richtung der Kameras, legt den Kopf schief wie ein Papagei und verspricht, Gauweiler werde bayerischer Umweltminister bleiben: „Die CSU wäre ärmer ohne ihn.“ Die Niederlage ist natürlich eigentlich ein Sieg, denn soviel Stimmen bekam die CSU in München schon lange nicht mehr (1990 erhielt Johnny Klein gegen Georg Kronawitter magere 26,5 Prozent, was im Salvator-Keller allerdings niemand erwähnte); und falls sie doch jemand als Niederlage auffassen sollte, hier ist Stoibers Empfehlung: „Schwoa ma's obe.“ Spül's runter!

Während sich die CSU in großem Stil tröstete, drängten sich die Münchener Genossen in ihrem Sitz, dem Georg-von-Vollmar- Haus, zusammen. Überfüllt und gleißend hell der Saal. Die Blumen für den Sieger welkten binnen Minuten in der brütenden Hitze. „So ist's recht“, brummelte Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel vor sich hin. „Brav, brav“, stand auch Alt-Oberbürgermeister Kronawitter auf die Stirn geschrieben, als sich die Entscheidung der Münchener herauskristallisierte. Wahlsieger Christian Ude strahlt zum erstenmal seit Wochen, er scheint so richtig gelöst – und redet dann doch wieder von Konzepten. Hüben wie drüben scheint letztlich niemand sonderlich überrascht vom Ausgang der Wahl. Und so klebt schon um 21.30 Uhr auf den Straßenplakaten quer über Udes Brille: „Danke, Münchner!“ Henrike Thomsen