Heimliche Hauptrolle für Heitmann

■ Die Kandidatur des von Kohl favorisierten Ost-CDUlers bereitet vielen Parteitagsdelegierten einige Bauchschmerzen

Der Kandidat fehlte und seine schärfste Kritikerin auch. Steffen Heitmann, der christdemokratische Bewerber für das Amt des Bundespräsidenten, hatte kein Delegiertenmandat und wurde gestern erst für den abendlichen Empfang erwartet. Nicht anwesend war auch die Hamburger Bundestagsabgeordnete Susanne Rahardt, die als einzige in der CDU bereits öffentlich angekündigt hat, sie werde ihren Parteifreund Heitmann wegen dessen frauenfeindlicher Äußerungen „nach derzeitigem Stand“ nicht wählen.

Obzwar nicht auf der Bühne des Berliner Congress Centrums zu sehen, spielte der konservative sächsische Justizminister dennoch die heimliche Hauptrolle. Die Hoffnung mancher Freidemokraten, Heitmann werde in der eigenen Partei auf hinhaltenden Widerstand stoßen, wurde auf alle Fälle enttäuscht. Offene Kritik an dem Vorschlag Heitmann war nicht einmal von notorischen Kohl-Kritikern zu hören. Heiner Geißler etwa beschränkte sich darauf, seine Hände nicht zum Applaus zu rühren, nachdem der Kanzler den Kandidaten seiner Zuneigung versichert hatte. Andere Delegierte, darunter der Junge-Union-Chef Hermann Gröhe, waren offen enttäuscht, daß der Vorsitzende Helmut Kohl in seiner Rede kein klareres Bekenntnis zu dem Dresdner ablegte.

Der Kanzler hatte die Formulierung wiederholt, die Generalsekretär Peter Hintze nach der CDU-Präsidiumssitzung am Mittwoch gewählt hatte: Die christdemokratische Spitze habe „mit großer Sympathie“ den Vorschlag der sächsischen CDU aufgenommen, Heitmann auf das Schild zu heben. Kohl vermied aus Rücksicht auf CSU und FDP eine klarere Festlegung, fügte aber hinzu: „Unter Sympathie verstehen wir ziemlich viel.“

Heitmann werde in der Presse „zu negativ dargestellt“, meinte der Berliner Bundessenator Peter Radunski. Eine Position, die auch der Junge-Union-Chef Gröhe unterschreiben wollte. Sein Verband hatte bereits offen für die Kandidatur des Sachsen votiert. Vor dem JU-Bundesvorstand, so erzählte Gröhe, habe Heitmann kein einseitiges Plädoyer für die Mutterschaft wiederholt, aber sehr wohl auf das „unauflösliche Spannungsverhältnis zwischen Mutterschaft und Selbstverwirklichung“ hingewiesen. An dieser Feststellung, meinte Gröhe, sei doch nichts zu deuteln.

Die Delegierten ließen sich auch nicht von der Meldung irritieren, Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble habe statt Heitmann den ehemaligen SPD-Fraktionschef in der Volkskammer, den Ostberliner Theologen Richard Schröder, favorisiert. Tatsächlich, so wurde in der Unionsfraktion bestätigt, hatte Schäuble Schröders Namen einmal in einem Gespräch mit Richard von Weizsäcker genannt. Da sich die SPD inzwischen auf eine Kandidatur von Johannes Rau festgelegt habe, sehe Schäuble dafür inzwischen „keine Chance“ mehr.

Statt des Integrationskandidaten Schröder haben die Unionisten nun mit Heitmann einen Anwärter, der in den eigenen Reihen immer wieder mit dem seinerzeit nicht minder umstrittenen Karl Carstens verglichen wird. Für Carstens eine Mehrheit in der Bundesversammlung zu organisieren, sei schwierig gewesen, erinnerte sich ein alter Parteistratege. „Sie können ihre Abgeordneten ja nicht unter dem Arm da rein nehmen.“ Kohl selbst wandte sich gegen die angebliche „Kampagne“, die gegen Heitmann geführt werde und verglich sie mit den „böswilligen Argumenten“, die seinerzeit gegen Carstens vorgebracht worden seien.

Andere erinnerten daran, daß damals zu den Gegnern eines Bundespräsidenten Carstens auch ein Mann gehört hatte, der nach wie vor zu den Parteidissidenten zählt: der heutige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf. Daß Biedenkopf kein Heitmann-Befürworter ist, gilt in der CDU als offenes Geheimnis. Nach außen ist Kabinettschef Biedenkopf jedoch gezwungen, Treuebekenntnisse zu seinem Justizminister abzulegen. Nur der sächsische Innenminister und CDU-Vizevorsitzende Heinz Eggert wagte am Rand des Parteitags ein paar despektierliche Worte über Heitmann. Mühelos konnte er die Frage beantworten, warum sein Kabinettskollege den Parteitag gemieden habe: „Der? Der hat hier doch nichts zu suchen!“ Hans-Martin Tillack, Berlin