Andere Spuren werden mit Nachdruck vernachlässigt

■ Obwohl sich die Beschuldigten in einem organisierten rechtsextremen Umfeld be- wegten, sehen BAW und BKA bislang keinen Grund, in diese Richtung zu ermitteln

Für eine direkte Anstiftung zur Tat oder eine organisierte Tat in Solingen sieht die Bundesanwaltschaft „derzeit keinerlei Anhaltspunkte“. Zudem könne man, so der stellvertretende BAW-Sprecher Hannich, die „geistigen Brandstifter“ in der Regel nur schwer belangen. Ob als „geistiger Brandstifter“ oder Anstifter beispielsweise die in Solingen-Mitte ansässige Kampfsportschule „Hak-Pao“ in Betracht kommt, interessierte die Ermittlungsbehörden bisher herzlich wenig. In dieser Kampfsportschule laufen zwar nahezu alle Fäden rechtsextremer Agitation und Aktion im Raum Solingen zusammen, eine Hausdurchsuchung fand jedoch im Rahmen der Ermittlungen zu Solingen bislang nicht statt.

Drei der vier Beschuldigten waren bei „Hak-Pao“ angemeldet. Der 16jährige Felix K. hatte von Oktober 1992 bis Februar 1993 bei „Hak-Pao“ trainiert. In der Kampfsportschule trainierte unter der Leitung von Bernd Schmitt der „Deutsche Hochleistungs-Kampfkunstverband“ (DHKKV). Jeden Freitag übte dort eine „Deutsche Kampfsportinitiative“ (DKI), die sich als „Zusammenschluß patriotisch denkender Kampfsportler“ versteht. Freitags trainierten dort nicht nur Mitglieder der „Wiking- Jugend“ und der FAP den Nahkampf. Dort wurde auch bis spät in die Nacht hinein geschult und Propagandamaterial verteilt.

Mit dabei auch die Solinger Bernd Koch (42) und Wolfgang Schlösser (34). Beide sind seit Jahren in rechtsextremen Gruppen wie der NSDAP/A0, der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) und derzeit in der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DL) aktiv. Ihre Truppe stellten sie nicht nur der DL, sondern auch der inzwischen verbotenen „Nationalistischen Front“ (NF) als Saalschutz zur Verfügung.

Nach dem Brand wurden Jugendliche beobachtet, wie sie kistenweise Material aus der Schule „Hak-Pao“ abtransportierten. Die „Hak-Pao“-Kämpfer Schmitt und Schlösser haben sich aus dem Staub gemacht. Gefahndet wird nach ihnen nicht. „Es gibt keinen dringenden Tatverdacht gegen diese Personen“, begründet dies BAW-Sprecher Hannich. Zu den rechtsextremen Verbindungen ihrer Kampfsportschule wurden sie bislang nicht einmal als Zeugen vernommen. So stellte sich Schmitt dem NF-Chef Meinolf Schönborn zur Bewachung des NF-Hauptquartiers in Detmold-Pivitsheide zur Verfügung. Schmitt fragte auch bei der Polizei in Wuppertal nach, ob er die „Hak-Pao“-Räumlichkeiten nicht auch der NF für eine Veranstaltung überlassen könnte.

Neben der Kampfsportschule lassen sich weitere Linien zum organisierten Rechtsextremismus ziehen. Brigitte R., die Mutter des 16jährigen Christian R., und ihr Freund pflegten enge Kontakte zu Christian Eitel und Torsten Lemmer aus Düsseldorf. Eitel war zeitweise Leibwächter des DL-Chefs Harald Neubauer, Lemmer zeitweilig Fraktionschef der „Freien Wählergemeinschaft“ im Düsseldorfer Stadtparlament und Manager der faschistischen Skinhead- Band „Störkraft“ – deren Bassist, Stefan Rasche, ebenfalls bei „Hak- Pao“ in Solingen trainiert hat.

„Die Ermittlungsbehörden haben nur in eine Richtung ermittelt, nämlich die Verhafteten zu belasten“, wirft Felix K.s Rechtsanwalt Georg Greeven BKA und BAW vor. Hier drängt sich eine Parallele zum wenige Kilometer von Solingen entfernten Wülfrath auf. Dort hatte es wenige Tage nach Solingen in einem überwiegend von türkischen Familien bewohnten Haus gebrannt. Auch dort präsentierte die Sonderkommission bereits drei Tage nach der Tat den 27jährigen Oliver K. als alleinigen Täter. Mitte August gab das Wuppertaler Landgericht mangels ausreichender Beweise der Haftbeschwerde statt. „Öffentlichkeitsarbeit wurde vor Ermittlungsarbeit gestellt“, kritisierte K.s Strafverteidiger Frank Sommer die Behörden. Die frühe Präsentation von K. als Alleintäter habe verhindert, daß „andere Spuren mit dem nötigen Nachdruck verfolgt“ wurden.