Droht Abschiebewelle?

■ Bleiberechtsbeschluß bringt Vertragsarbeitern keine Sicherheit: Abschiebung, wenn Arbeit und Wohnung fehlt

Ehemalige DDR-Vertragsarbeitnehmer aus Vietnam und Angola forderten gestern bei einer Anhörung des Ausländerausschusses im Abgeordnetenhaus eine Verlängerung ihrer Bewerbungsfrist für ein Bleiberecht in Deutschland. Hintergrund des Anliegens ist, daß nach einem Beschluß der Bundesinnenministerkonferenz von Mitte Juni dieses Jahres alle Ex-Vertragsarbeiter das Land verlassen müssen, die nicht bis zum 17. Dezember eine Arbeitsstelle und eine Wohnung gefunden haben.

Alle anderen, das heißt, die Vertragsarbeiter die sich selbst ernähren können und vor Mitte Juni 1990 in die DDR gekommen sind, erhalten ein generelles Bleiberecht in der Bundesrepublik. Dieser Beschluß, seinerzeit von den Ausländerbeauftragten der Kommunen und Länder als „humanitäre Regelung“ hoch gelobt, stelle sich in der Praxis allerdings nicht als so doll heraus, kritisierten gestern Betroffene und Experten.

Vu Sang Son von der Vereinigung der Vietnamesen beklagte, daß die Arbeitsämter erst zwei Monate nach diesem Innenministerbeschluß von der Bleiberechtsregelung informiert worden sind. So seien viele jobsuchende Vietnamesen bei den Ämtern mit der Begründung abgewiesen worden, daß offene Stellen, sofern die Bewerber keine Sonderarbeitserlaubnis vorweisen können, von Deutschen besetzt werden müssen.

Der Bleiberechtsbeschluß sehe aber vor, daß eine Sonderarbeitserlaubnis nicht notwendig sei. Auch Manuel Alexander, Ex-Vertragsarbeiter aus Angola, kritisierte, daß es nahezu unmöglich sei, die Frist bis zum 17. Dezember einzuhalten, er befürchtet eine Abschiebewelle im Dezember. Ausländerinitiativen, so zum Beispiel die vietnamesische Beratungsstelle, fürchten, daß von den etwa 4.000 in Berlin lebenden Ex-Vertragsarbeitern über die Hälfte ihren Aufenthaltsstatus verlieren werden. Eine Fristverlängerung über den 17. Dezember hinaus forderte gestern auch der Ausländerbeauftragte der SPD, Eckhard Barthel. Die Ex-Vertragsarbeiter müßten mit den Gastarbeitern der alten Bundesrepublik gleichgestellt werden. Während die Gastarbeiter nach fünf Jahren Arbeitserlaubnis eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, müssen Ex-Vertragsarbeiter acht Jahre das Papier in der Tasche haben.

Ein „dringender Regelungsbedarf“ bestehe auch für Arbeitslosengeldempfänger sowie für schwangere Frauen. Diese Personen hätten bei der momentanen Arbeitslosigkeit nahezu keine Chance, bis Dezember einen Job zu finden. Problematisch sei auch die sogenannte „Selbständigkeitsregelung“. Denn im Unterschied zu den Gastarbeitern dürfen Ex- Vertragsarbeiter nicht überall ein eigenes Gewerbe aufmachen, sondern nur im „Beitrittsgebiet“. aku