Des Playboys großer Hänger

■ Das Ende des Bunny-Zeitalters: Die Auflage schwindet, Anzeigenkunden laufen weg - stirbt der Dinosaurier unter den Männermagazinen?

Von Herrn Thömmes

Sonja aus Lüneburg ist 21 und hat die Maße 89 – 56 – 90. Braun sind die Augen, feuchtglänzend die Lippen, und sie träumt davon, „die Welt zu retten“. Aufrütteln will sie uns alle, „klarmachen, daß wir am Rande des Ruins stehen“. Warum auch nicht. Ein anderer „Lebenstraum“ von ihr hat sich schließlich gerade erfüllt: einmal das Playmate des Monats zu sein.

Allzuviel Aufsehen wird die nackte Sonja dabei nicht erregen. Der Playboy liegt matt und müde am Kiosk. Vor mehr als einem Jahr schon kam die Bunte zum Ergebnis: „Männermagazine nicht mehr hochzukriegen“. Inzwischen hat das Blatt für die „Potenz-Elite“ (Die Zeit) einen noch größeren Hänger: Ganze 211.024 Exemplare wurden für den Juni gemeldet, das Minus zum Quartal des Vorjahres beträgt 17 Prozent. Auch für die Anzeigen und den Umfang des Heftes gilt: Was einst prall daherkam, ist heute arg geschrumpft – auf 128 Seiten diesen Monat. Dünner geht's nimmer.

Was also ist los mit dem deutschen Mann '93? Tote Hose? Sind neun Mark zuviel verlangt für etwas Sinnestaumel?

I wo. Die Malaise der „lustbetonten Titel“ (Branchenjargon) dauert schon länger. Der Playboy hatte seinen Höhepunkt 1984 mit 533.675 Käufern, seitdem wird er von dauernden Abgängen geschüttelt. Vorbei sind die Zeiten, als sich der jettende Manager das Heft in die FAZ gewickelt unter den Trenchcoat klemmte – und bei Geschlechtsgenossen sogar augenzwinkernd Imagepunkte sammelte. Der voyeuristische Gentleman alter Schule ist am Aussterben wie die Mönchsrobbe (monachus monachus). So dramatisch ist die Situation, daß die „Erzfeministin“ (Selbstbezichtigung) Camille Paglia in der Welt jammert, Fred Astaire, Cary Grant und David Niven sollten doch bitte „die Vorbilder von heute sein“.

Das sind sie nicht. Im Spiegel berichtet eine Schweizer Prostituierte der Journalistin Angela Gatterburg, die Männer von heute „inszenieren den Geschlechtsakt gern als eine Art Zweikampf im Bett“. Nicht mehr dem charmanten Dauerlüstling James Bond würden die Männer als Typ nacheifern: „Heute stehen sie auf klotzige Rambos wie Sylvester Stallone oder Arnold Schwarzenegger.“ Die „wirklichen Verführer“ (Paglia) sind rar, der Mann in der Post- Bond-Ära vermutet hinter der Frage „Geschüttelt oder gerührt?“ eher eine S/M-Technik als einen Martini. Als jüngst Stallone vom SZ-Magazin befragt wurde, mit welchem Spruch er Frauen anmache, kam nur: „Ich bin müde, und du?“ Vom Wortreichtum des klassischen, blumenspendenden Galans ist damit nur noch Johnny Weissmuller („Ich Tarzan, du Jane“) weiter entfernt.

Wenn sich derart die Zielgruppe ändert, tun sich die Blattmacher schwer. Auf der Suche nach des Käufers Lust wird allerhand Personal verschlissen. In den vergangenen Jahren wechselte der Playboy den Chefredakteur so häufig wie Schalke 04 seine Trainer. Schon 1988 meldete Text Intern, das Heft wende sich vom kruden Nudismus „hin zu Wirtschaft und White-collar-Prominenz“, biete dem konsummäßig aus dem Ruder gelaufenen Industriekapitän „praktische Lebenshilfe“: „Wir sagen den Lesern, wie sie ihr Geld ausgeben können.“

Das war dann offenbar auch ganz schnell weg. Der Playboy, der damals als Markenname mit 78 Prozent sogar fünf Punkte bekannter war als „Mercedes“, verlor weiter an Auflage. Nicht besser ging es der Konkurrenz wie Penthouse und lui. Als Hauptfeinde wurden durch das Fachmagazin werben und verkaufen neben dem „Wertewandel“ vor allem Videorecorder und Privatkanäle ausgemacht. Wenn nächtens bei RTL & Co. „die prallen Möpse hüpfen“, greift der Erotomane immer weniger zum statischen Bild. Zumal die Sitten lockerer wurden.

Da mochte die katholische Bischofskonferenz noch so kämpfen: Die Werbung zeigte längst mehr als die nackte Schulter und umschäumte Brust, mit der die Seife „Fa“ noch in den Siebzigern für Erregung sorgte. Inzwischen zuckt's und zappelt's auf allen Kanälen, bei MTV wippen ekstatisch die Becken, und Baccardi-Spots gibt es nur noch mit dem Kopulationstänzchen Lambada.

Gegen so viel bewegte und bewegende Erotik hat es ein Blatt aus Papier schwer – trotz des doppelten Aufklappers mit dem Playmate, das im Gegensatz zum Fernseher in jeden Bundeswehrspind geheftet werden kann. Weder der erhoffte Nachholbedarf der DDR- Mannen noch die Wende zum Lifestyle brachten den schlaffen Playboy wieder auf die Beine. Verzweifelt loteten die Verlagsprofis nach dem „veränderten Selbstbild des neuen Mannes“ (werben und verkaufen) der endneunziger Jahre. Sie fanden neben der Erosion seines „magischen Dreiecks“ – Miezen, Muskeln, Motoren – nur seine wachsende Lust auf Parfüm.

Das war bitter. Zudem knickte dem Playboy-Leser zunehmend die Krücke weg, mit der er einstmals den Kauf nackter Haut legitimierte. Originell, exklusiv, international, frech – das ist das Magazin längst nicht mehr; große Namen als Autoren, etwa Bukowski oder Miller, sucht man vergebens – statt dessen murckst Ossi Urchs, der Kippenminister. Lange Reportagen und überraschende Interviews wie mit Daniel Ortega, der im Baseballstadion von Managua von Imperialismus und Coca-Cola erzählte – Fehlanzeige. Das kulturelle Alibi für den Käufer, den die „Mädchen“ ja scheinbar nie interessierten, war dahin. Und so suchte Chefredakteur Maier mit aller Wiener-Erfahrung 20 Jahre nach der Gründung des Blatts 1972 „die neue Elite männlicher Ultra Consumer“ zu befriedigen. Eine Pleite auch das.

Nun bricht dem alternden Heft auch noch sein wichtigstes Korsett: die Anzeigen. Fürs kommende Jahr hat der Playboy als fast einziges Hochglanzprodukt die Preise gesenkt, gleich um 22 Prozent. Kein gutes Zeichen in der Branche, aber die Inserenten sind eben mehr an Reichweite als an Oberweite interessiert. Zudem finden die Werber in den vielen Spezialzeitschriften ohne Problem genaue Zielgruppen.

Wenn die Not am größten ist, ist ein neuer Chefredakteur am nächsten. Jetzt soll Nikolas Marten, 29, den Dinosaurier unter den Männermagazinen reanimieren. An dessen Siechtum wähnt sich der bisherige Vize von Max nicht mal unbeteiligt: „Wenn wir einen erotischen Titel hatten, ist der Playboy immer eingebrochen.“ Optimistisch schaut er aufs Puritanerland USA, wo vom Original Monat für Monat über drei Millionen Stück verhökert werden. Was aber mag das deutsche Mannsbild?

Fest steht nur, womit es künftig gefüttert werden soll: „Keine Trendorientiertheit, gute Literatur, Service, Selbstironie – und prominente Frauen sollen voyeuristische Effekte erzielen“ – hüllenlos und wie früher. Und weg vom „Zeitgeist, das ist ein loosing market“. Damit, sagt Marten mit sicherem „Bauchinstinkt“, müsse die Trendwende in der Auflagenentwicklung zu schaffen sein.

Nach dem Verlust des magischen Dreiecks wäre dies die Quadratur des Kreises. Martens journalistische Ausbildung immerhin ist fundiert. Bevor er zu Max ging, schrieb er regelmäßig für die taz: unter anderem über die feministische Buchmesse in Barcelona – auf der Frauenseite. Hart wird der Job trotzdem: Momentan kaufen mehr Männer die Zeitschrift Selbermachen als den Playboy.