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Leidenschaft für Doppeldecker

■ Kostspieliges Hobby: Eine Arbeitsgemeinschaft in Berlin sammelt alte Doppeldecker-Busse / Die Busfans wollen viel öfter auf der Straße gesehen werden

Schon als Kind war der Berliner Stefan Freytag von Omnibussen fasziniert. Heute ist aus seinem Traum Wirklichkeit geworden: Der 28jährige kaufmännische Angestellte ist stolzer Besitzer eines Doppeldeckers des Typs D2U – D steht für Doppeldecker, 2 für die Anzahl der Achsen und das U für Unterflurmotor. Mehr als 30 Jahre hat sein „Großer Gelber“ jetzt schon auf dem Buckel – doch für den Besitzer ist es einer der schönsten Weggefährten überhaupt.

Angefangen hat alles in den siebziger Jahren auf dem Weg zur Schule. „Ich mußte täglich mit dem Bus fahren, und da habe ich mir die Liniennummern, Typenbezeichnungen und Reklameaufschriften gemerkt.“ Statt Hausaufgaben zu erledigen, machte er sich auf die Suche nach Busteilen.

Das Ergebnis: Über 700 Schilder von Zielorten, 200 Frontnummern, 500 Hecknummern, 2.000 Seiten-, 150 Blech- und ein paar Sonderschilder stapeln sich heute in seinen vier Wänden. Freytag: „Vor kurzem habe ich auch eine echte Busuniform aus den sechziger Jahren erstanden.“

Eines Tages wurde der Busfan von einem Sammlerkollegen gefragt, ob er nicht einen alten Omnibus kaufen möchte. „Das war für mich die Gelegenheit, meine alten Schilder endlich auch im Bus aufzuhängen.“

Gesagt, getan. Freytag reiste im Sommer 1989 nach Rüdesheim am Rhein, wo er zusammen mit zwei anderen Busliebhabern den Doppeldecker für 3.700 Mark kaufte. Bis dahin war der Wagen von einem Wirtshausbesitzer als Partybus genutzt worden. Nach einigen Reparaturen rollte der Oldie dann nach Berlin.

Doch aus dem Traum, so fürchtet Freytag, könnte bald ein Alptraum werden. Ersatzteile sind schwer aufzutreiben und teuer, Fachleute für Reparaturen nicht billig zu haben. „Aber ich könnte es nicht ertragen, wenn die alten Busse auf dem Schrottplatz landen oder für artfremde Zwecke mißbraucht werden.“

Freytag ist nicht allein mit seiner Liebe für Bus-Oldtimer. Inzwischen haben sich in Berlin 17 Busfans in einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts zur „Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin“ (ATB) zusammengefunden. In den Kauf und die Reparatur von insgesamt elf Bussen steckten sie bereits über 100.000 Mark.

„Wir wollen die Fahrzeuge so erhalten, wie sie ursprünglich waren“, sagt Busfan Manfred Gaßner. Und dafür setzen die Clubmitglieder alle Hebel in Bewegung. Sogar an Wochenenden suchen sie auf Schrottplätzen nach Ersatzteilen. Inzwischen haben sie es geschafft, ihre Doppeldecker so instandzusetzen, daß sich damit problemlos eine Spritztour unternehmen läßt. Doch bei den älteren Modellen sind Fahrkunst und Muskelkraft gefragt: Sie müssen die Kurve ohne Servolenkung kriegen. Fünf Busse haben die Sammler erst vor kurzem von den Berliner Verkehrs-Betrieben (BVG) erworben. Die Doppeldecker gehörten zu den Museumsbeständen der BVG, die sonst nur zum Tag der offenen Tür präsentiert wurden und jetzt aufgelöst wurden.

Glänzende Augen bekamen die Bastler bei einem Doppeldecker des Baujahrs 1957 – eine Rarität. Jetzt steht das bislang älteste Modell neben den anderen Bussen in einer Halle, in der die Sammler von der BVG die Stellplätze angemietet haben. „Leider beschränkt sich die Zusammenarbeit mit den Verkehrs-Betrieben darauf“, klagen die Mitglieder. Die Busfans wollen viel öfter auf der Straße gesehen werden. So könnten die Wagen mehr noch als bisher bei Veranstaltungen eingesetzt werden, meinen sie. Denn wer einmal mit den Nostalgiebussen gefahren sei, schwärme davon. Kathrin Hübner (dpa)

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