Bertelsmann: Strategisch sauber

Bilanzpressekonferenz des zweitgrößten Medienkonzerns der Welt: Sorgen macht der Fernsehsender Vox / Das deutsche Mediengesetz gefällt dem Vorstand immer noch nicht  ■ Aus Gütersloh Philippe Ressing

Was haben der Vorstandsvorsitzende des Bertelsmann-Konzerns Dr. Mark Wössner und Werder Bremens Otto Rehagel gemeinsam? Im Fußball heißt die Strategie: kontrollierte Offensive, beim weltweit zweitgrößten Medienkonzern: „kontrolliertes Voranschreiten“. So umschrieb Wössner die Marschrichtung des Konzerns für das nächste Jahr.

Bertelsmann hat auch im abgelaufenen Geschäftsjahr gut verdient. Der Umsatz stieg um 6,5 Prozent auf 17 Milliarden Mark, der Gewinn nach Steuern sogar um 16 Prozent auf 660 Millionen Mark, mehr als erhofft. Wössner ist aber nur „recht zufrieden“. In der Bundesrepublik erwirtschaftete man knapp 40 Prozent des Umsatzes, vor allem mit den Printmedien der Tochter Gruner+ Jahr und den Buchclubs sowie Fachdiensten und dem Musikträgergeschäft.

Im europäischen Ausland wurden 33 Prozent des Umsatzes gemacht, vor allem mit den Buchclubs, dem Musikgeschäft und den Printmedien. Die USA sind mit 23 Prozent das dritte Standbein der Gütersloher.

Der Bertelsmann-Konzern gliedert sich in sieben Unternehmensbereiche, wobei die Bertelsmann Music Group (BMG) über vier Milliarden Mark Umsatz machte, gefolgt von Gruner+ Jahr mit 3,7 Milliarden. Zwar liegt der Bereich elektronische Medien mit 1,6 Milliarden am Ende der Umsatzskala, machte aber mit 21 Prozent das größte Plus im letzten Jahr. Im Mittelfeld liegen die Bereiche „Internationale Clubs“, „Buch“, „Internationale Verlage und Fachinformationen“ sowie die Druckindustrie. Gruner+ Jahr stellt allein ein Drittel des Konzernergebnisses, ein weiteres die „Produktlinie Buch“ (Clubs, Buchverlage, Fachinformationen) sowie die „Produktlinie Entertainment“ (BMG, elektronische Medien).

Die im letzten Jahr bereits auf 48 Millionen reduzierten Finanzschulden wurden nicht nur getilgt, der Konzern legt auch noch 425 Millionen Mark auf die hohe Kante, Dies zeige „den Spielraum für künftige Expansionsschritte“, so Wössner. Die rund 51.000 Beschäftigten der Unternehmen bekommen zur Belohnung zwei Monatsgehälter zusätzlich in diesem Jahr als Erfolgsprämie ausgezahlt. Für Investitionen wurden im letzten Jahr 2,6 Milliarden Mark ausgegeben, davon knapp 30 Prozent Neuinvestitionen. Allerdings waren auch rund 370 Millionen Mark Anlaufverluste wegzustecken, wobei das bisher desolate Ergebnis des Fernsehsenders Vox die Bertelsmänner besonders schmerzt.

Dies um so mehr, als RTL plus – inzwischen meistgesehener Sender der BRD – für Wössner eine „in sich ruhende Erfolgsgeschichte“ ist. Zudem sei der „Sprung zum qualitativ sauberen Fernsehen vollzogen“. Auch der mit Leo Kirch gemeinsam betriebene Pay- TV-Kanal premiere steht mit über 700.000 Abonnenten kurz vor dem finanziellen Durchbruch.

Aber Vox behindert weitere strategische Pläne des Konzerns, will man doch im Entertainment- Bereich zu den amrikanischen Major-Companies aufschließen.

Der Ausblick auf das nächste Geschäftsjahr sei wegen der allgemeinen Rezession aber „nicht ganz so rosig“. Wössner rechnet vor allem mit Problemen im Print- wie TV-Bereich, da die Wirtschaft ihre Werbeausgaben reduziere. „Wir rechnen aber in 1993/94 wieder mit einem Abschluß in Höhe des vergangenen Jahres.“ Die Unternehmensstruktur wird gestrafft, aus den vorher sieben Bereichen werden vier Produktlinien geformt: Buch, Entertainment, Industrie und Gruner+ Jahr. Kapitaleigner Reinhard Mohn hat 68,8 Prozent der Anteile auf die Bertelsmannstiftung übertragen, 20 Prozent behält die Familie – zehn Prozent hält weiterhin Zeit-Gründer Gerd Bucerius.

Heftige Kritik übten Wössner und der für die elektronischen Medien zuständige Vorstand Manfred Lahnstein an den deutschen Mediengesetzen. Man müsse die Entwicklung zu Oligopolen wie Bertelsmann/CLT Luxemburg oder Kirch/Springer wie auch das Mehrheitseigentum an mehreren Sendern zulassen, da sonst ausländische Unternehmen das Geschäft machten. Am besten wäre eine europaweite Kontrollinstanz, man solle 1995 die Gelegenheit nutzen und mit dem Gebührenstaatsvertrag die ganzen Regelungen liberalisieren.

Mit solchen Argumenten wurden schon die neuen Bundesländer weichgekocht. Der nächste Bilanzerfolg ist den Bertelsmännern jedenfalls gewiß. Meinungsvielfalt und Nutzungsfreiheit seien bei ihm „an keiner Stelle erkennbar gefährdet“, findet Vorstandschef Wössner.