Schlapphüte ahnungslos

■ Nichts gewußt von Weiterstadt

Wiesbaden (taz) – Das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hatte vor der Sprengung des Gefängnisneubaus Weiterstadt am 27. März 1993 keinerlei Hinweis auf den bevorstehenden RAF-Anschlag. Es konnte somit auch keine entsprechenden Warnungen an die hessischen Staatsschutzbehörden weitergeben. Das beteuerte Amtschef Eckart Werthebach am Mittwoch nachmittag bei seiner Vernehmung vor dem Weiterstadt- Untersuchungsausschuß des Wiesbadener Landtags. Werthebach: „Das BfV hat weder über eine eventuelle G-10-Maßnahme (das heißt über eine Telefon- oder Postüberwachung, d. Red.) noch auf andere Weise Kenntnis von dem Anschlag ... erhalten.“

In der Öffentlichkeit war in den vergangenen Wochen wiederholt gemutmaßt worden, das Kölner Amt habe möglicherweise selbst mit dem V-Mann des rheinland- pfälzischen Verfassungsschutzes, Klaus Steinmetz, kooperiert oder aber am Telefon seiner WG mitgehört. Letzteres bestritt Werthebach jetzt vor der Wiesbadener Parlamentarierrunde nicht mehr, soweit es die Zeit nach dem Anschlag betrifft. Bis zum Tag der Knastsprengung Ende März habe es „keine Maßnahme des BfV im Hinblick auf die V-Person“ gegeben, erklärte Werthebach. Darüber, was danach geschah, könne er keine Auskunft geben.

Erstmals am 8. April 1992 habe ihn der Leiter des Mainzer Verfassungsschutzes, Armin Dostmann, mündlich darüber unterrichtet, daß Klaus Steinmetz sich in Paris mit einem Mitglied der RAF- Kommandoebene, möglicherweise Birgit Hogefeld, getroffen habe. Obwohl Dostmann den Kölner Amtschef aufforderte, vorerst niemanden einzuweihen, unterrichtete dieser noch am selben Tag den damals für die Geheimdienste zuständigen Staatssekretär im Innenministerium, Hans Neusel.

Von einem ersten Hinweis von Steinmetz am 25. Februar 1993 gegenüber seinem Mainzer V-Mann- Führer, wonach die RAF möglicherweise einen Anschlag vorbereite, habe das Amt erst nach Weiterstadt erfahren, so Werthebach.

Bundesinnenminister Manfred Kanther hatte Werthebach erst am letzten Dienstag, dem Tag vor der seit Wochen anberaumten Sitzung des Ausschusses, eine Aussagegenehmigung erteilt, was im Vorfeld zu vielfältigen Spekulationen geführt hatte. Im Verlauf der Sitzung demonstrierten insbesondere die Ausschußmitglieder der SPD Lustlosigkeit. Die Oppositionsparteien CDU und FDP bestritten die Vernehmung Werthebachs praktisch allein. Gerd Rosenkranz