: Das Büro der Zukunft ist bunt
Schöne Worte und Blumen: Mäßiger Beitrag zum Umweltschutz bei der „bürodata“ / Schreibtischtäter sollen sich in Hochhaus und Stau wohlfühlen ■ Von Christian Arns
Das Büro der späten Neunziger ist bunt. Falls die Präsentationen der „bürodata“ im Messegelände richtungweisend sind, gehört das angeblich futuristische Design, das uns noch vor wenigen Jahren prophezeit wurde, der Vergangenheit an, ohne je den Durchbruch geschafft zu haben. Anthrazitfarbene Großflächen ohne Kanten, metallisch schimmernde Kästen, deren Funktion nicht zu erkennen ist, und das Ambiente eines Cockpits wird es nicht geben, wenn die Ausstellungsstücke der „Messe für Kommunikation und Organisation im Büro“ wirklich Einzug halten.
Fröhlich und farbenfroh ist ein Großteil der gezeigten Schreibtische und Regale, der Sessel und Schränke. Regalböden heben sich wieder von Trennwänden ab, die Zettelbox knallt ins Auge. Mint- und Lila-Töne beherrschen die Messehallen seit Mittwoch; der Spaß, den Arbeit auf Wunsch aller Chefs machen soll, zeigt sich in lustigen Farbspielereien.
Und Grünzeug gibt's. Jedem Schreibtisch sein Blümchen, mindestens eine große Pflanze pro Stuhl, die Vorschläge der „bürodata“ kosten Platz. Sollten sie sich durchsetzen, ist Gärtner der Büroberuf der Zukunft. Die rund 300 Aussteller kamen damit neben dem Grundsatz, daß sich mit Grün gut werben läßt, dem Wunsch der Messeleitung nach, das Zauberwort Ökologie über der Veranstaltung schweben zu lassen. So wird auch in zahllosen Prospekten irgendwo garantiert, daß alles aus wiederverwertbaren Materialien hergestellt ist. Ob die Einzelkomponenten aber voneinander zu trennen sind und ob jemand alte Stühle, Kopierer oder Aktenvernichter zurücknimmt, darüber schweigen sich die Aussteller aus.
Von ökologischen Anforderungen und dem Zwang, das Büro auch noch nett zu gestalten, überfordert, suchen offenbar immer mehr Arbeitgeber Rat bei Firmen, die ganze Einrichtungen vom Schreibtisch bis zum Teppich, vom Computer bis zur Deckenlampe beschaffen. „Natürlich bieten wir auch Produkte aus den neuen Bundesländern an“, versichert Brigitte Fenske, die mit ihrem Mann seit 1990 diese Marktlücke stopft: „Das komplette Büro“ gebe es bei „Beotec“ in Berlin-Mitte.
Wer seine vier Wände kaum noch sieht, weil er ohnehin ständig im Stau steht, kann ebenfalls aufatmen: Den „Designerschreibtisch mit integrierten In-Line-Containern“ in einer amerikanischen Großraumlimousine zeigt die Berliner Firma Top-Cars. Mit 5,7 Litern Hubraum sollen Manager in den Stau fahren und sich dort immer noch wohlfühlen können.
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