Skeptischer Voscherau testet Rot-Grün

■ Die Koalitionsfrage bleibt nach der Schnupperrunde im Rathaus noch offen

In Hamburgs SPD brodelt es. Die Gerüchteküche dampft, die Telefondrähte laufen heiß, bei den Mauscheltreffen in Wandsbek, Altona und Hoheluft-Ost glühen die Köpfe. High Noon Nummer Eins steigt am Donnerstag, wenn der SPD-Landesvorstand die Sondierungsrunden auswertet: Gibt er – mit Voscheraus Einverständnis – grünes Licht für den Einstieg in rot-grüne Koalitionsverhandlungen, dann springt der Wahrscheinlichkeitslevel für Rot-Grün von heute 60 auf über 90 Prozent.

Ob es dazu kommt, ist noch völlig offen. Die SPD hat Voscherau zum Herrn des Verfahren bestimmt. Akzeptiert er Rot-Grün, kann er damit durchmarschieren. Wünscht er hingegen ein Regierungsduett mit Statt-Chef Wegner, wird die Situation unkalkulierbar. Alles scheint dann möglich, auch ein Rücktritt Voscheraus ...

Derweil wächst der Druck auf die SPD-Spitze, es mit Rot-Grün zu versuchen. SPD-Chef Scharping versicherte dieser Tage den Bundes-Grünen, sein Hauptziel für 1994 sei die Ablösung der derzeitigen Bundesregierung – im Fall der Fälle auch mit den Grünen. Auch in der Hamburger SPD wächst das aktive Engagement für Rot-Grün. Eine Große Koalition spielt derzeit keine Rolle, wie verläßliche Quellen aus Handelskammer und der Wandsbeker SPD melden, die Rot-Schwarz frühestens auf den Trümmern geplatzter rot-grüner Verhandlungen sprießen sehen.

Einen ersten Test für derartige Verhandlungen absolvierten Rot und Grün bei ihrem Sondierungsgespräch am Freitag im Rathaus. Von elf Uhr morgens bis um halb eins prüfte Voscherau seine potentiellen Senatskollegen auf Herz und Nieren. Gut aufgeräumt, „hochfit“, so anerkennend ein Grüner, und mit „dem absoluten Mandat zur Verhandlungsführung“ (eine Sozialdemokratin) fragte Voscherau das grüne Wahlprogramm ab.

Aber auch die Grünen, so vermerkte Voscherau verblüfft, hatten brav gebüffelt: Sie konterten mit einer Wahlanalyse, die aufweist, wieviel „kleine Leute“ diesmal GAL gewählt haben. Durch ihre Arbeitsgruppen bis ins Detail vorbereitet, blieben die Grünen keine Sachantwort schuldig. Auch wenn es bei den Themen Bebauungsplanverfahren, Hafenerweiterung, Elbvertiefung (auch in der SPD heftig umstritten!), Hafenstraße und Verkehr hoch her ging und große Gräben aufklafften – die Spekulation auf offenkundig naiv-schwachsinnige grüne Vorschläge ging nicht auf. Im Gegenteil: Als ein grüner Sondierer andeutete, in Sachen Verkehr könnten die Grünen mit ein zwei Abänderungen die Umsetzung der SPD-Parteitagsbeschlüsse zur Koalitionsvereinbarung machen, lachte Voscherau: „Ich hatte befürchtet, daß Sie damit kommen.“

Die „Chemie“ der Beteiligten, so zeigte sich, schließt gemeinsames Regieren nicht aus. In vielen Sachfragen würde es im Falle ernsthafter Koalitionsverhandlungen aber noch sehr hart zur Sache gehen. Als größtes Handicap aber bleibt, so ein SPD-Insider: „Man muß diese Koalition wollen, nur dann kann sie funktionieren und Erfolg haben. Davon sind wir noch ganz weit entfernt.“Florian Marten