Gesucht: Ein dukatenspuckender Geldesel

■ Es fehlen zwei Millionen Mark – vermutlich wird die offizielle Schach-WM ohne Preisgeld und Ergebnis abgebrochen / Der Ölstaat Oman hat angeblich kein Geld

Amsterdam (taz) – Während die beiden Hauptbetroffenen Anatoli Karpow und Jan Timman im Ratssaal des Amsterdamer Stadhuis ihre zwölfte Partie spielten (Remis), trat FIDE-Präsident Florencio Campomanes in einem Nebenraum vor die Presse, um Meldungen zuvorzukommen, daß das offizielle Match um die Schach- Weltmeisterschaft ohne Preisgeld und ohne Ergebnis abgebrochen werden würde.

Doch genau das ist die wahrscheinlichste Lösung, wenn bis nächsten Samstag, 16 Uhr, nicht rund zwei Millionen Mark zur Fortsetzung des Wettkampfes aufgetrieben werden können.

Mitte letzter Woche hatten sich die Gerüchte verdichtet, daß der Ölstaat Oman die zweite WM- Hälfte nicht austragen wolle. Seit Mai hatte der Weltschachbund FIDE von Bankgarantien des omanischen Sultans für zwei Millionen Schweizer Franken gesprochen. Jetzt wurde bekannt, daß es sich nur um Verträge mit einem Minister handelte.

Erst am Freitag bestätigte die omanische Regierung, daß die zweite Matchhälfte dort nur ausgerichtet werden könne, falls die FIDE die Organisationskosten und den Preisfonds deckt. Campomanes hat bereits angedeutet, daß die FIDE den Oman nicht verklagen werde.

Nachdem Campomanes im Juni einen Rekordpreisfonds von vier Millionen Schweizer Franken, etwas mehr als die 1,7 Millionen Pfund bei der „professionellen“ Schach-WM Kasparow–Short in London, angekündigt hatte, drohen Karpow und Timman nunmehr gänzlich leer auszugehen. Den Ausrichtern der ersten zwölf Partien in den Niederlanden ist es bisher nämlich nicht gelungen, einen mehr als fünfstelligen Beitrag zum Preisgeld lockerzumachen, doch im Unterschied zum Oman war auch nie von Garantien die Rede.

Wie ihre Chancen stehen, die unfähigen Schachfunktionäre auf diesen Betrag zu verklagen, falls sich bis zum Wochenende kein „schachliebender Millionär“, Originalton Campomanes, findet, ist unklar. Laut Timmans Sekundant Yasser Scirawan haben sich die Spieler zunächst auf eine gemeinsame Verhandlungsposition verständigt.

Letztes Jahr kassierte die FIDE eine Sicherheitszahlung über eine halbe Million Dollar von einer Marketingagentur in Los Angeles, die zuerst die WM-Ausrichtung zugesprochen bekommen hatte, aber später aufgeben mußte. Dieses Geld sei als nicht zweckgebundene Zahlung in das allgemeine Budget geflossen, erklärte Campomanes am Samstag. Warum die FIDE derartige Sicherheiten fordere, sie jedoch gar nicht als solche verwende, wollte der oberste Schachfunktionär nicht beantworten. Sein Stuhl wackelt nur deshalb nicht, weil er mit Wahlgeschenken an die Delegierten von Entwicklungsländern jede Opposition ausgeschaltet hat. Stefan Löffler